10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Meurigs Tod, Iorwerths Selbstmord und die Toten, die im Vorfeld sterben mußten – zum Beispiel Idwals Mutter, Efa. Wann hat das alles angefangen?«
»Wer weiß? Jetzt spielen wir wieder das Spiel ›Was wäre wenn?‹ Was wäre gewesen, wenn Gurgust damals seinen Lehrling Iorwerth nicht hinausgeworfen hätte? Oder er nicht so grausam seine Tochter Efa fortgeschickt hätte?«
»Was wäre passiert, wenn damals im Wald nicht Iestyn, sondern eine andere Person vorbeigekommen wäre?« fing nun auch Fidelma an.
»Iestyn!« Eadulf seufzte. »Den hatte ich fast vergessen. Was wird ihn erwarten?«
»Ich schätze, das steht schon längst fest«, sagte Fidelma. »Vielleicht hat man ihm verziehen, daß er Iorwerths Ängste und seinen Haß geschürt und so Idwals Tod verschuldet hat, doch er hat sich mit Rhun verbündet. Man kann es so auslegen, daß er Rhun gedient hat und damit weiterhin ein treuer Untergebener von Dyfed war. Doch in Wahrheit war er ein Spion für Ceredigion. Ich glaube, sein Schicksal war bereits von Cathen besiegelt, als man ihn aus Gwndas Halle führte.«
»Und was ist mit Gwnda und Buddog?«
»Die Britannier waren viele Jahrhunderte lang eine Provinz des Römischen Reiches«, meinte Fidelma nachdenklich. »Sie haben Methoden der Bestrafung übernommen, die wir in den fünf Königreichen nicht anwenden. Ihr Gesetze stecken voller Rache und Vergeltung. Ihre Strafen sind wesentlich härter.«
Eadulf schauderte bei dieser Vorstellung ein wenig. »Nun, ich bin froh, daß wir auf dem Weg nach Canterbury sind. Ich kann nicht gerade behaupten, daß ich die Zeit im Königreich Dyfed genossen hätte.«
»Das ließ sich nicht übersehen«, stimmte ihm Fidelma zu. »Ich habe nicht gewußt, daß du so nervös und gereizt sein kannst.«
»Es tut mir leid, daß ich meine Ängste nicht verbergen konnte.« Eadulf schaute sie ernst an. »Es gab Augenblicke, da hielt ich sie für begründet.«
Fidelma wirkte auf einmal betroffen. »Gewiß habe ich mich dir gegenüber recht befremdlich verhalten, Eadulf. Ich gebe zu, ich habe versucht, mich von dir zu distanzieren.«
Zu ihrer Überraschung nickte Eadulf bedächtig. »Mir ist das nicht entgangen.«
Fidelma starrte ihn an. Es verwirrte sie ein wenig, daß er mit einer solchen Ruhe bekannte, davon gewußt zu haben. »Du scheinst ja jede Beleidigung von mir hinzunehmen.«
»So ängstlich und argwöhnisch wie ich im Land der Welisc auch war, so bemerkte ich trotzdem, daß dein Unbehagen und deine Ängstlichkeit irgendwie noch größer waren. Obwohl du dich vor den Welisc selbst eigentlich nicht fürchtetest.«
»Ich glaube, du schuldest mir da eine Erklärung«, sagte sie mit angespannter Stimme.
»Die Erklärung ist ganz einfach. Bei Loch Garman, ehe wir das Königreich von Laigin verließen, da hast du dich zu deinen Gefühlen für mich bekannt und den Entschluß gefaßt, mich nach Canterbury zu begleiten, statt in das Königreich deines Bruders zurückzukehren. Denkst du etwa, daß mir nicht bewußt war, wie schwer dir das gefallen ist? Daß mir nicht klar war, wieviel Überwindung es dich kostete, dich dafür zu entscheiden? In den letzten Tagen warst du voller Befürchtungen. Doch es liegt in deiner Natur, deine Angst nicht zu zeigen. Du hast sie einfach unter dem Mantel der Verachtung und sogar des Hohns mir gegenüber verborgen.« Eadulf zuckte mit den Schultern. Er war immer noch ernst. »Ich weiß schon, was du getan hast, Fidelma. Du hast mich geprüft. Du wolltest sehen, ob ich versagen und dir bestätigen würde, daß dein Entschluß, mit mir zu reisen, falsch war. Doch ich wollte es dir nicht leicht machen. Wenn du deine Entscheidung widerrufen willst, dann nur aus eigenem Antrieb heraus und nicht wegen meiner Person. Ich bleibe bei meinem Standpunkt in dieser Angelegenheit.«
Fidelma betrachtete ihn eine Weile still, dann streckte sie impulsiv ihre Hand aus und legte sie fest auf die seine.
»Ich glaube nicht, daß ich dies bewußt getan habe, Eadulf. Vielleicht geschah es aus einem unbewußten Antrieb heraus? Du bist sehr klug. Ich glaube, daß meine Befürchtungen nun zerstreut sind. Kannst du mir verzeihen?«
»Furcht entsteht aus Unsicherheit. Man muß sich sicher sein. Seneca schrieb, dort, wo Angst ist, ist das Glück verschwunden.«
Fidelma wirkte feierlich. »Dem stimme ich zu. Angst ist keine Tugend. Ich bin sehr froh, daß du mir gegenüber Nachsicht übst, Eadulf. Glaub mir, ich bin mir jetzt sicher. Doch falls ich wieder schwankend
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