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10 - Das Kloster Der Toten Seelen

10 - Das Kloster Der Toten Seelen

Titel: 10 - Das Kloster Der Toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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davonhuschende Maus im kahlen Strauchwerk entdeckt, und wäre nicht Bruder Cyngar gewesen, hätte er sie sich zum Frühstück geholt.
    Nur einmal hob der Mönch seinen Stock zur Verteidigung, als er in der Nähe ein unheimliches Rascheln vernahm. Doch er entspannte sich wieder, als er ein bräunliches weiß gesprenkeltes Fell und ein breites Geweih erkannte, das zu einem Damhirsch gehörte, der sofort im sicheren Unterholz verschwand.
    Der Waldpfad führte nun auf einen offenen, mit Farnkraut überzogenen Hang. Bruder Cyngar verspürte eine gewisse Erleichterung, weil er jetzt den Wald hinter sich hatte. Er machte sogar eine Pause, legte seinen Stock beiseite und holte, als er etwas kleines Orangefarbenes am Wegrand entdeckte, sein Messer heraus. Er kniete nieder und untersuchte die weiße Unterseite der Pilze. Viele aßen diese roh oder in Honigmet getaucht. Bruder Cyngar legte sie in das kleine marsupium , das er am Gürtel trug.
    Er erhob sich, nahm seinen Stock und schritt mit neuer Kraft voran, denn er wußte, daß sein Ziel nun nicht mehr fern war.
    Hinter dem nächsten Höhenzug lag die Gemeinschaft von Llanpadern, das heilige Kloster der Gesegneten Brüder, in der etwa dreißig Glaubensbrüder im Dienste Gottes wirkten. Dort wollte Bruder Cyngar um die Gastfreundschaft der Mönche ersuchen und frühstücken, ehe er zur berühmten Abtei Dewi Sant auf der Halbinsel Moniu, die manche auch auf lateinisch Menevia nannten, aufbrach. Die Abtei war allen religiösen Gemeinschaften des Königreiches von Dyfed übergeordnet. Sein eigener Klostervorsteher hatte Bruder Cyngar Botschaften an den dortigen Abt Tryffin anvertraut. Bruder Cyngar war am Vortag gegen Mittag aufgebrochen und hatte nach einer längeren Wegstrecke in der Holzfällerhütte übernachtet, um dann von dort zu recht früher Stunde und ohne etwas im Magen, den berüchtigten Wald von Ffynnon Druidion zu durchqueren. Ihm war wie allen anderen Pilgern, die Richtung Süden nach Moniu unterwegs waren, die sprichwörtliche Gastfreundschaft von Llanpadern bekannt.
    Gelassen schritt Bruder Cyngar nun voran. Die Sonne, die noch nicht ganz durch die Wolken gebrochen war, schien bereits so warm, daß sie den Morgenfrost vertrieb.
    Nun hatte er den Sattel des nackten felsigen Berges erreicht, den man Carn Gelli nannte. An seinem höchsten Punkt war ein kleiner Steinhügel kunstvoll aufgeschichtet. Darunter befand sich ein altes Grab, das dem Berg seinen Namen verlieh. Bruder Cyngar blieb stehen und schaute ins Tal hinunter. Dort lag das Kloster, ein Komplex aus grauen Steingebäuden. Aus einem großen Schornstein stieg Rauch auf. Bruder Cyngar lief den Pfad weiter, immer schneller, getrieben von dem Wunsch, rasch das Kloster zu erreichen.
    Als er sich dem Tor näherte, mußte er zu seiner Verwunderung feststellen, daß es offenstand und weit und breit niemand zu sehen war. Unwillkürlich lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das war ungewöhnlich, selbst zu dieser frühen Stunde, denn sonst traf man die Brüder von Llanpadern auf den umliegenden Feldern an, machten sie sich doch schon beim ersten Tageslicht an die Arbeit, auch an einem kalten Herbstmorgen wie diesem. Gewöhnlich herrschte an den Toren und auf den Feldern reges Treiben.
    Beklommen blieb Bruder Cyngar am Tor stehen. Heute versah dort niemand seinen Dienst. Nach kurzem Zögern trat er zu dem hölzernen Pfosten, um an der Bronzeglocke zu ziehen, die dort hing. Ein schauriger Klang hallte nach. Nichts rührte sich daraufhin, kein Laut war zu vernehmen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß sich überhaupt jemand im Kloster aufhielt.
    Bruder Cyngar wartete einige Augenblicke und zog dann noch einmal die Glocke mit ihrem fordernden Läuten, diesmal länger und beharrlicher. Doch wieder regte sich nichts.
    Langsam schritt er in den ausgestorbenen Innenhof und blickte sich um.
    Überall herrschte Totenstille.
    Mitten auf dem Hof war eine mindestens vier Meter hohe Pyramide aus Ästen und Holzscheiten aufgeschichtet, die aussah, als sollte sie in nächster Zeit angezündet werden und als ein riesiges Freudenfeuer in Flammen aufgehen. Der junge Mann betrachtete sie genauer und rieb sich dabei nachdenklich die Wange.
    Er unterdrückte den Schauer, der ihm erneut über den Rücken fahren wollte, und lief über den viereckigen Hof auf die Tür der Kapelle zu und stieß sie auf. Die Kapelle wirkte düster, obwohl es heller Vormittag war. Nicht einmal die Altarkerzen waren angezündet. In dem Dunkel konnte er

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