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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sobald ein Roter sich dort hören oder gar sehen läßt, wird nach ihm geschossen, doch ohne ihn zu treffen; verstanden! Es genügt vollständig, wenn er die Kugel neben sich einschlagen hört. Diese Leute sollen nur wissen, daß wir uns hier aufgestellt haben, um sie nicht herunter zu lassen. Mein Bruder Winnetou wird indessen gehen, um unsre beiden Rappen herbeizuholen.“
    Der Apache entfernte sich still, wie es so seine Weise war, und Old Shatterhand ging mit Hawkens nach der Umfriedigung, in welche die Pferde gebracht worden waren. Als diese drei sich entfernt hatten, sagte der Kantor, natürlich in deutscher Sprache: „Also das sind die beiden großen Helden, nach deren Anblick ich so begierig gewesen bin! Man kann sie nicht erkennen, weil es dunkel ist, aber schon ihr Auftreten imponiert mir ungeheuer. Sie werden sehr hervorragende Stellen in meiner Oper einnehmen.“
    „Na, sehen Sie sich die beeden nur erseht eemal bei Tage an!“ antwortete der Hobble-Frank. „Schon während man das erschte Ooge off sie wirft, muß man sich gleich hypothekarisch sagen, daß man keene gewöhnlichen Leute vor sich hat. Is es nich genauso, wie ich prophezeit habe? Diese beeden berühmten Leuten brauchen nur erscheinen, so sind wir ooch schon frei!“
    „Sehr wahr!“ stimmte Droll bei. „Es is een wahres Heldenschtück von ihne, uns herausgeholt zu habe, ohne daß uns nur een Haar gekrümmt worde is. Es wär' sogar noch viel besser gegange, wenn Frau Eberschbach den Mund gehalte hätte.“
    „Ich?“ fiel schnell Frau Rosalie ein. „Meenen Sie vielleicht, ich bin schuld, daß mir der Schrei entfahren is?“
    „Natürlich! Wer denn sonst?“
    „Der Kantor, aber doch nich ich!“
    „Bitte ergebenst!“ verteidigte sich der von ihr Beschuldigte. „Sie wissen wohl, daß ich Emeritus bin! Wenn Sie das doch nicht immer auslassen wollen. Sie haben kein Recht, zu behaupten, daß ich die tiefe Stille, welche geboten war, gebrochen habe. Über meine Lippen ist kein Laut gekommen, kein einziger, und wenn er noch so pianissimo gewesen wäre. Sie sind es gewesen, Frau Ebersbach, die geschrien hat.“
    „Das leugne ich gar nich. Aber weshalb habe ich geschrieen? Hätten Sie sich doch fester angehalten, Sie Emeritus! Wenn Sie wieder mal Lust haben, von der Leiter herabzupurzeln, so tun Sie es doch wenigstens nicht grad dann, wenn eene reputierliche Dame drunter schteht! Wenn Sie Ihre Tonleitern ooch nich fester in die Hände nehmen, so kann mich Ihre schöne Heldenoper dauern. Verschtehn Sie mich?“
    „Ich verstehe Sie, Verehrteste; aber Sie verstehen etwas nicht, nämlich mit einem Sohn der Musen höflich umzugehen. Ich habe Ihnen seinerzeit versprochen, an Sie zu denken, und hegte wirklich die Absicht, Ihnen eine Sopranarie in den Mund zu legen; da Sie aber in dieser Weise von meiner Kunst sprechen, sehe ich davon ab. Sie werden nicht die Ehre haben, in meiner Oper zu erscheinen!“
    „Nich? I, was Sie nich sagen! Meenen Sie etwa, es liegt mir so sehr viel daran, off den Brettern zu erscheinen, die die Erde bedeuten? Das fällt mir gar nich ein. Und Sopran habe ich singen sollen? Hören Sie, damit lassen Sie mich in Ruh! Wenn ich singen will, da lass' ich mir gar nischt vorschreiben, da singe ich, was ich will, Fagott, Klarinette oder Rumpelbaß, ganz was mir beliebt. Und nun sind wir miteinander für dieses Leben fertig. Leben Sie wohl! Adjes off Ewigkeet!“
    Sie wendete sich höchst aufgebracht von ihm ab. Er wollte noch eine Bemerkung machen, doch der Hobble-Frank forderte ihn schnell auf: „Pst! Schweigen Sie schtille! Es is mir ganz so, als ob ich een lebendiges Wesen da oben off der erschten Etage hätte huschen sehen. Wahrhaftig, da schleicht es wieder! Jetzt bleibt es schtehen und neigt den Kopp herab. Das is een Indianer, der jedenfalls eene Okularkonstruktion beabsichtigt, um zu sehen, wo wir schtecken. Er soll es gleich erfahren!“
    Er hob sein Gewehr, zielte kurz und drückte ab.
    „Uff!“ rief eine erschrockene Stimme gleich nach dem Knall des Schusses.
    Soeben kehrte Old Shatterhand mit Sam Hawkens zurück.
    „Was gibt es? Wer hat geschossen?“ fragte er.
    „Ich“, antwortete Frank.
    „Warum?“
    „Das is eene Frage an das Schicksal, die ich gern beantworten will. Es schtand een roter Signor da oben off dem Dach Nummer eens; der wollte wahrscheinlich wissen, welche Zeit es is, und da habe ich ihm gezeigt, wieviel die Repitieruhr geschlagen hat, wenn er sich nich gleich off die Socken macht. Er hat

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