10 - Der Ölprinz
Untenstehenden in Empfang genommen wurden. Dann warf er zunächst die Leiter um, welche zur nächst höheren Etage führte, damit kein Roter von oben herunter könnte. Hierauf wälzte er die zentnerschweren Steine von dem Deckel und nahm diesen weg; dann ließ er die Leiter in das Loch und rief in dasselbe hinab: „Schnell herauf! Es könnte zum Kampf kommen.“
Nun sprang er mit beiden Füßen in das Feuer, um dasselbe auszutreten, was, da es klein gewesen war, ihm sofort gelang. Es wurde dunkel, denn Winnetou hatte auch das untere Feuer ausgelöscht. Old Shatterhand hatte mit einer solchen Schnelligkeit gehandelt, daß seit dem Augenblick, an welchem die unvorsichtige Frauenstimme erschallte, kaum eine Minute bis jetzt vergangen war. Und schon kamen die letzten der Gefangenen aus der Luke zu ihm heraufgestiegen.
Auf den über ihnen liegenden Terrassen wurde es lebendig. Laute, fragende Stimmen erschallten. Lichter erschienen, und man sah dunkle Gestalten an den Leitern herniedersteigen. Da ertönte Old Shatterhands mächtige Stimme: „Die roten Männer mögen oben bleiben, wenn sie nicht sterben wollen! Hier stehen Old Shatterhand und Winnetou mit ihren Leuten. Wer sich zu uns herunterwagt, wird erschossen!“
Er wollte keinen der Indianer töten, mußte ihnen aber beweisen, daß er wirklich hier war. Diesen Beweis konnte er, wie er wußte, ihnen nur durch seinen so viel- und schnellschüssigen Stutzen geben, den sie alle kannten und fürchteten. Er legte ihn an und zielte empor nach einem Indianer, welcher, mit einer Leuchte in der Hand, eiligst herniedergestiegen kam; er wollte ihn in die Hand treffen und drückte ab.
„Hahi, Latah-schi – au, meine Hand!“ schrie der Getroffene, indem er das Licht oder die Fackel fallen ließ.
Drei weitere Schüsse, schnell hintereinander, und ebenso viele Lichte verschwanden. Eine Stimme rief: „Das ist Old Shatterhands Zauberflinte; hinauf, schnell wieder hinauf!“
Es wurde oben ganz dunkel und plötzlich so still, als ob auf den höheren Terrassen kein Mensch zu finden sei.
„Seid ihr alle hier?“ fragte Old Shatterhand die jetzt bei ihm Stehenden. „Ist niemand mehr unten?“
„Keiner“, antwortete Sam Hawkens.
„So legt die beiden Leitern an und steigt hinab zu den andern! Ich denke, daß die Roten uns in Ruhe lassen werden, bis wir die freie Erde unter den Füßen haben.“
Sie folgten seiner Aufforderung; er folgte zuletzt. Als er die nächst untere Plattform erreichte, sah er, daß der umsichtige Apache schon für das weitere gesorgt hatte. Die Befreiten befanden sich auch dort bereits im Niedersteigen. Es fiel Winnetou nicht etwa ein, sie zur Eile aufzufordern; im Gegenteil mahnte er sie, wegen der Frauen und Kinder hübsch langsam und vorsichtig zu verfahren, denn er wußte, daß wenigstens für einige Zeit die Indianer jetzt nicht zu fürchten waren; sie wurden durch die beiden Namen Old Shatterhand und Winnetou in Furcht gehalten.
Der Abstieg ging also ziemlich gemächlich vonstatten, und zwar in der Weise, daß alle Leitern von oben mit hinuntergenommen wurden, um den Roten die Verfolgung zu erschweren. Als sie dann alle am Fuße des Pueblo im Freien beisammenstanden, sagte Old Shatterhand: „Es ist gelungen, und zwar viel leichter, als ich dachte. Nun gibt –“
Er wurde von mehreren unterbrochen, die ihrer Dankbarkeit Ausdruck geben wollten, fiel ihnen aber schnell in die Rede: „Still. Nichts davon jetzt! Es muß zunächst das Notwendigste geschehen. Später, wenn wir von hier fort sind, könnt ihr reden, so viel ihr wollt. Wo sind eure Pferde?“
„Dort im Corral, rechts hinter dem Mauerwerk“, antwortete Hawkens.
„Habt ihr alle eure Waffen?“
„Ja.“
„Und euer Eigentum?“
„Was wir einstecken hatten, konnte uns nicht genommen werden; aber was sich in den Satteltaschen befand, das werden die roten Spitzbuben wohl an sich genommen haben.“
„Hattet ihr auch Packpferde bei euch?“
„Yes. Die mußten die Sachen der Auswanderer tragen.“
„Sind diese Gegenstände vorhanden?“
„Weiß nicht; glaube es auch nicht. Das Wetter brach so rasch über uns herein, daß wir gar nicht Zeit hatten, abzuladen und die Tiere abzusatteln.“
„Hm! Wäre alles da, was euch und ihnen gehörte, so könnten wir gleich fort von hier, sonst aber müssen wir die Roten zwingen, das Geraubte herauszugeben. Sam Hawkens mag mich nach dem Corral begleiten; die andern bleiben hier und passen auf die untersten Terrassen des Pueblo auf.
Weitere Kostenlose Bücher