10 - Der Ölprinz
besetzt, aber unsre Freunde haben über die Lichtung gemußt, wo sie von jedem, der hüben am Wasser stand, gesehen werden mußten.“
„Die Nijoras tränkten vorhin ihre Pferde. Hoffentlich sind sie jetzt damit fertig gewesen und es hat keiner von ihnen mehr unten am Flusse gestanden. Ich will noch einmal auf den Baum klettern und die Stelle dort betrachten.“
Er kletterte wieder hinauf, hielt eine kurze Weile scharfen Ausguck, kam dann wieder herab und sagte: „Es ist niemand am Wasser, und so denke ich, daß die Navajos nicht gesehen worden sind.“
„Das beruhigt mich. Übrigens werden wir es erfahren, wenn wir die Nijoras nachher belauschen. Wenn sie unsre Freunde gesehen haben, werden sie ganz gewiß davon sprechen.“
Die Dämmerung trat jetzt ein, und so machten sich die beiden Männer auf den Weg, welcher gar nicht ungefährlich für sie war. Man konnte noch ungefähr sechs bis acht Schritte weit sehen, doch wurde es so schnell dunkel, daß es, als sie in der Nähe des Winterwassers ankamen, so finster war, daß sie sich nicht mehr allein auf ihre Augen verlassen konnten, sondern auch den Tastsinn zu Hilfe nehmen mußten. Hierbei kam es ihnen sehr zustatten, daß sie schon öfters hier gewesen waren und also die Örtlichkeit genau kannten.
Der Chelly floß hier fast genau von Ost nach West, und es ist bereits gesagt worden, daß das Winterwasser von Süd nach Nord, also rechtwinklig, auf ihn stieß. Die Ufer beider waren hier mit Wald und Busch bestanden und sehr hoch. Von der Höhe bis hinab zum Wasser des Chelly konnte man recht gut sechzig Fuß rechnen. Im Winterwasser befanden sich in der gegenwärtigen Jahreszeit nur einige Pfützen, welche dem Übergang nicht im mindesten hinderlich waren. Das Terrain war an der Mündung des Winterwassers sehr felsig und die Ufer fielen so steil ab, daß man da zu Pferde nicht hinunter konnte. Wer hinüber wollte, mußte vielmehr eine Strecke am Winterwasser hinauf bis zu einer Stelle, wo beide Ufer sich einander flacher zuneigten. Diese Stelle war aber auch die einzige, welche sich zum Übergang eignete. Ebenso geeignet war sie natürlich auch zu einem Überfall. Da man sonst nirgends hinüber konnte und also unbedingt gezwungen war, diesen Ort aufzusuchen, so brauchte der Feind nur hier zu warten. Man mußte ihm, wenn er es nicht ganz und gar ungeschickt anfing, unbedingt in die Hände fallen, vorausgesetzt natürlich, daß er zahlreich genug auftreten konnte.
Die Nijoras lagerten nicht an dieser Furt. Sie waren da hinüber und hatten das jenseitige linke Ufer abwärts bis zur Mündung verfolgt und dort oben ihr Lager aufgeschlagen. Dort gab es kein Wasser. Wer sein Pferd tränken oder sich selbst Wasser holen wollte, der mußte nach der soeben beschriebenen Furt zurück und hinunter auf den Grund des jetzt trockenen Winterwasserbettes steigen und, diesem abwärts folgend, bis zur Mündung desselben gehen, wo der Chelly vorüberfloß.
Das war beschwerlich genug. Die Nijoras hätten es viel bequemer gehabt, wenn sie sich unten an der Mündung gelagert hätten; aber das war unmöglich, ohne daß Spuren entstanden, welche nicht vollständig auszulöschen waren, und dies sollte vermieden werden.
Soviel über das Terrain, welches für beide Teile so überaus wichtig war.
Da die Nijoras drüben lagerten, mußten Winnetou und Old Shatterhand natürlich auch hinüber. Als sie das hohe Ufer des Winterwassers erreicht hatten, sahen sie von drüben die Lagerfeuer zwischen den großen Felsstücken, die es dort gab, herüberleuchten.
„Wie unvorsichtig!“ sagte Winnetou.
„Ja“, stimmte Old Shatterhand bei. „Diese Kerls müssen es für ganz sicher halten, daß wir noch zu weit zurück sind, um diese Stelle noch heut erreichen zu können.“
„Das ist noch nicht alles. Ihre Feuer leuchten doch auch drüben weit in die Ebene hinaus. Wie leicht könnten sie da von den Navajos bemerkt werden.“
„Das läßt mich eben vermuten, daß die Nijoras die Navajos vorhin gesehen haben. Sie wissen, daß diese jenseits des Flusses sind und also nicht hierherkommen können.“
„Wir werden bald Gewißheit darüber erlangen und wollen jetzt nur weitergehen.“
Sie gingen diesseits am Winterwasser hinauf, bis sie die Stelle der Furt erreichten, und stiegen da hinab und drüben wieder hinauf. Dann schlichen sie sich am linken Ufer des Winterwassers wieder abwärts, wobei sie um so vorsichtiger verfuhren, je näher sie dem Lager kamen. Von Baum zu Baum, von Strauch zu
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