10 - Der Ölprinz
Mutter begrüßen kannst. Wir haben Eile. Laß uns Galopp reiten!“
Ein kurzes Wort von ihm genügte, sein Pferd zum schnelleren Lauf anzutreiben, und Schi-So folgte ihm, in stiller Wonne an das Wiedersehen mit seinen Eltern, besonders mit seiner Mutter denkend.
Diesmal gehörte kein großer Scharfsinn dazu, den Ort, nach welchem sie wollten, zu entdecken. Als sie sich demselben näherten, sahen sie den Schein des Feuers zwischen den Bäumen hervorschimmern. Old Shatterhand hielt sein Pferd an und sagte: „Wie unvorsichtig, so ein Feuer zu brennen! Ich bin zwar überzeugt, daß diese Stelle hier jetzt ganz gefahrlos ist, aber man zündet doch nicht ein Feuer an, an welchem man einen Büffel braten könnte! Sam Hawkens muß sehr genau wissen, daß er sich hier in vollster Sicherheit befindet. Steigen wir ab und schleichen wir uns heimlich hin! Wollen sehen, was sie tun und reden. Man kann ja schon hier ihre lauten Stimmen hören.“
Sie stiegen ab und führten ihre Pferde leise nach dem Rand des Buschwerkes, wo, wie sie bemerkten, die Gesellschaft die ihrigen stehen hatte. Dann schlichen sie sich näher. Da sahen sie zu ihrem Erstaunen den Häuptling der Navajos mit seiner weißen Squaw.
„Deine Eltern sind da“, flüsterte Old Shatterhand seinem jungen Begleiter zu. „Siehst du sie?“
„Ja“, antwortete der Gefragte.
Er sagte nur dieses eine Wort, doch das scharfe Ohr des Jägers hörte es, daß seine Stimme dabei vor freudiger Erregung zitterte.
„Wie mögen sie sich hierher gefunden haben? Und welche Freude, als sie hörten, daß du bei uns bist! Natürlich haben sie erfahren, daß ich dich mitgenommen habe. Ich denke, daß du sie sehr freudig begrüßen möchtest; aber das geht nicht; sie sind nicht allein gekommen, und du mußt auf die andern Navajos Rücksicht nehmen, bleib hier stehen. Ich will zunächst allein zu ihnen.“
Old Shatterhand schlich sich noch weiter hinan und hörte, was gesprochen wurde. Dann folgte die Szene, welche bereits beschrieben worden ist.
Nachher setzte er sich zu Nitsas-Ini, um mit ihm über das, was morgen vorgenommen werden sollte, zu beraten. Er erklärte ihm den Plan, den er mit Winnetou entworfen hatte, und der Häuptling war mit demselben vollständig einverstanden.
Später wurde der emeritierte Kantor gebracht, und der Empfang, den er fand, war kein allzu freundlicher, denn Old Shatterhand sagte ihm tüchtig die Meinung, ohne ihn allerdings von seiner Torheit zu überzeugen.
Dann riet Old Shatterhand den Anwesenden, sich zur Ruhe zu legen, weil morgen ein anstrengender Tag zu erwarten sei.
Der Häuptling der Navajos kehrte mit seiner weißen Squaw nicht nach seinem Lager zurück, sondern erklärte, daß er hier bleiben wolle. Dafür schickte er seine Roten zurück, welche seine Befehle nach dem Lager bringen sollten.
Es wurde eine Wache ausgestellt; man ließ das Feuer erlöschen, und dann wurde es ruhig. Schi-So lag neben seiner Mutter; sie hatten ihre Hände ineinander vereinigt.
Es war spät geworden, und die kurze Zeit, welche bis zum Morgen übrig geblieben war, verging sehr schnell. Eben graute der Tag, als Old Shatterhand die Schläfer weckte. Als diese an den Fluß traten, um sich zu waschen, sahen sie die Krieger der Navajos, welche in einer langen Reihe am jenseitigen Ufer aufwärts geritten kamen und, als sie gerade gegenüber anlangten, ihre Pferde in das Wasser trieben, um das jenseitige Ufer zu erreichen.
Die Weißen machten sich nun auch schnell zum Aufbruch fertig; dann setzte sich der Zug flußabwärts in Bewegung, Old Shatterhand und Nitsas-Ini ritten an der Spitze. Dieser letztere hatte den Boten, welche von ihm in sein Lager geschickt worden waren, die Namen zweier Indianer genannt, welche nicht mitkommen, sondern als Späher dem Ölprinzen entgegenreiten und ihn und seine Begleiter beobachten sollten. Er glaubte, diese Aufgabe in die besten Hände gelegt zu haben, da sie zu den gewandtesten und verschlagensten Leuten seines Stammes gehörten.
Diese beiden Indianer blieben also zurück. Sie hatten den Ölprinzen, Buttler und Poller zu beobachten und ihnen heimlich zu folgen. Sie sollten sie nicht aus den Augen lassen. Falls sie bemerken sollten, daß die drei entwischen wollten, hatten sie den Befehl, sie lieber zu töten, als sie entkommen zu lassen.
Als es hell genug geworden war, ritten sie denen, die sie erwarteten, entgegen, denn das hatte der Häuptling befohlen. Es war anzunehmen, daß die drei Weißen auf der Fährte der
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