10 - Der Ölprinz
dürfen Sie ihn nachher, wenn Sie ihn nich haben, ooch nich durchsetzen. Wissen Sie, ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllerin, und weeß, was ich zu tun habe. Ich lasse mir Ihretwegen nich von den feindlichen Indianern off den Kopp herumtrommeln. Sie werden gleich erfahren, daß und wie ich mich zu benehmen weeß!“
Der Zug hielt in diesem Augenblick an, denn Winnetou war aus dem Gesträuch getreten. Er kam auf Old Shatterhand und auf den Häuptling der Navajos zu und meldete: „Die Nijoras sind bei ihrem Plan geblieben und haben ihre Stellung nicht verändert. Meine Brüder können also das ausführen, was ich gestern mit Old Shatterhand besprochen habe. Es ist nur eine kleine Änderung, welche ich für nötig halte.“
„Welche?“ fragte Old Shatterhand.
„Wir haben uns entschlossen, hinab in die ausgetrocknete Furt zu reiten; die Krieger der Navajos haben sich dann uns zur linken Hand versteckt, und wir wenden uns in dem trocknen Winterwasserbett nach rechts, bis wir den Fluß erreichen. Dann kommen die Nijoras herab, um uns zu überfallen, und da sollen sie von den Navajos im Rücken angegriffen werden. Meine weißen Brüder und Schwestern werden sich nicht fürchten, und ich zweifle auch ganz und gar nicht daran, daß alles so gehen wird, wie wir gedacht haben; aber es ist dennoch nötig, an alles zu denken und keine Vorsicht zu versäumen. Es soll kein Blut fließen; aber wenn die Nijoras nur uns vor sich sehen, ist es möglich, daß sie glauben, uns überwältigen zu können. Wir sind nur wenige Männer und werden trotzdem den ersten Stoß aushalten; aber wenn die Nijoras schießen, werden sie doch einige von uns verwunden oder gar töten. Darum ist es nötig, zu verhüten, daß sie überhaupt von ihren Gewehren Gebrauch machen. Mein Bruder Old Shatterhand wird wissen, wie wir das am besten und sichersten erreichen können.“
„Dadurch, daß wir ihnen gleich im ersten Kampf zeigen, daß sie verloren wären, wenn sie es zum Kampfe kommen lassen“, antwortete der Genannte.
„Und wie zeigen wir ihnen das? Sie sehen nicht die vielen Navajos hinter sich, sondern nur die weißen Männer und Frauen vor sich.“
„Wir müssen vorn bei uns auch Navajos haben.“
„Das ist es, was ich meine“, nickte der Häuptling der Apachen.
„Aber wir dürfen sie nicht mitbringen; sie dürfen nicht mit uns kommen.“
„Nein.“
„Sondern sie müssen schon vorher am Platz sein, ohne aber von den Nijoras gesehen zu werden.“
„Mein weißer Bruder hat ganz meine Gedanken.“
„Es ist sehr leicht zu erraten, was mein roter Bruder meint. Die Nijoras zählen dreihundert Krieger, während wir sechshundert haben. Es genügt, wenn wir ihnen fünfhundert in den Rücken schicken; die übrigen hundert müssen hier vom hohen Ufer hinab zum Fluß steigen, und sich da unten abwärts schleichen, bis sie in die Nähe der Mündung des Winterwassers gekommen sind. Dort verbergen sie sich im Gesträuch und warten, bis wir kommen. Sobald wir anlangen und die Nijoras sich auf uns werfen wollen, treten diese hundert Krieger aus ihrem Versteck hervor und gesellen sich uns zu. Das wird die beabsichtigte Wirkung haben, denn die Feinde werden stutzen, und dadurch bekommt unser Hinterhalt von fünfhundert Mann Zeit, ihnen in den Rücken zu kommen.“
„So ist es. Ich stimme ganz den Worten Old Shatterhands bei. Nitsas-Ini, der tapfere Häuptling der Navajos, mag die hundert von seinen Kriegern auswählen, damit sie sich jetzt entfernen, um die Mündung des Winterwassers heimlich zu erreichen. Dann reiten die fünfhundert auch fort, und sobald wir annehmen können, daß sie sich in ihrem Hinterhalt befinden, brechen wir von hier auf.“
So geschah es. Es wurden hundert Navajos abgezählt, welche in das Ufergebüsch eindrangen, um zum Fluß hinabzusteigen. Dabei konnten sie natürlich ihre Pferde nicht mitnehmen; diese mußten vielmehr von den andern mitgeführt werden. Als sie fort waren, machten sich auch die fünfhundert auf den Weg.
Als auf diese Weise die Navajos alle fort waren, erklärte Old Shatterhand den deutschen Auswanderern den Plan noch einmal in ihrer Muttersprache, weil vorhin englisch gesprochen worden war. Er bat sie, keine Sorge zu haben, da alles gut gehen werde, und ermahnte sie dringend, ja recht vorsichtig zu sein und nichts zu tun, was das Gelingen des Planes in Frage stellen könne. Da sagte Frau Rosalie zu ihm: „Wir andern werden ganz gewiß keenen Fehler
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