10 - Der Ölprinz
jedenfalls mehr als mit Euch, denn ich schätze, daß Ihr damals noch gar nicht in der Uniform gesteckt habt. Das Kleeblatt befindet sich nämlich gegenwärtig hier.“
„Hier? In Tucson?“
„Yes, Sir. Und Sam Hawkens, der verdiente Vereinigten-Staaten-Kapitän, befindet sich Euch sogar noch näher; er sitzt in diesem Augenblick hier in Eurer Stube.“
„Hier? In meinem Zimmer?“ rief der Stellvertreter betroffen und indem seine Augen sich erweiterten. „Es ist ja außer mir kein andrer Mensch da als Ihr?“
„Well, stimmt genau, Sir!“
„Dann – dann – wäret Ihr – Ihr, Ihr dieser Hawkens?“
„Yes, bin ich auch, wenn ich mich nicht irre.“
„Thunder-storm!Ihr wäret Sam Hawkens? Ihr?“
„Denke es. Warum sollte ich es nicht sein?“
„Weil – weil – weil“, stotterte der Offizier verlegen, „weil Ihr keineswegs danach ausseht. Ein Offizier kann sich doch unmöglich in solche Kleider stecken!“
„Wüßte nicht, warum er es nicht tun sollte! Warum sollte sich gerade ein Offizier nicht nach seinem Geschmack kleiden, Sir? Und dies ist nun einmal mein Geschmack, der Geschmack von Sam Hawkens, und wer denselben für geschmacklos halten sollte, der mag dies tun; ich habe nichts dagegen, so lange er schweigt. Wenn er es aber wagt, es mir zu sagen, so befindet sich die richtige Antwort auf eine solche Beleidigung hier in meiner Hand!“
Sam Hawkens zeigte bei diesen Worten auf sein Gewehr und fügte hinzu: „Übrigens, daß ich damals Offizier wurde, darauf gebe ich keinen leeren Kürbiskern. Zu einem tüchtigen Westmann gehört weit mehr als zu einem Subalternoffizier, und ein Westmann bin ich, Sir; ja, der bin ich ganz gewiß, und wenn Ihr es nicht glaubt, so bin ich bereit, es Euch zu beweisen. Wollen wir uns einander gegenüberstellen, um zu erfahren, wessen Kugel ganz genau das Herz des andern trifft? Bin sofort bereit dazu, Sir, sofort, wenn Sie es wünschen!“
Das wurde in einem Ton gesprochen, welcher trotz der allerdings lächerlichen Gestalt Sams dem Offizier sichtlich imponierte. Der letztere machte eine abwehrende Handbewegung und antwortete, diesesmal nun in höflichem Ton: „Ist gar nicht nötig, Sir, ist nicht nötig! Warum sollen sich Gentlemen, welche Kameraden sind, ohne alle Veranlassung niederschießen?“
„Hm! Veranlassung wäre wohl vorhanden dazu. Aber da Ihr erkannt habt, daß der vermeintliche Hanswurst ein Gentleman und Euer Kamerad ist, so habt hier meine Hand. Wollen nun in Frieden über die lustige Aufführung sprechen, an welcher Ihr Euch beteiligen sollt.“
Sie schüttelten sich die Hände, und dann erzählte Sam von seinem gestrigen Zusammentreffen mit den zwölf Reitern, welche er für die Finders hielt. Der Kapitän hörte sehr aufmerksam zu; sein Gesicht nahm je länger, desto mehr den Ausdruck großer Spannung an, und als der Kleine geendet hatte, sprang er erregt auf und rief: „Wenn Ihr Euch nicht irrtet, Sam! Wenn es wirklich die Finders wären! Welch ein Fang!“
Sam blinzelte ihn mit seinen kleinen Äuglein an und fragte: „Meint Ihr, daß Sam Hawkens so dumm ist, nicht zu wissen, was er behauptet? Sie sind es, sage ich Euch, sie sind es!“
„Aber warum seid Ihr da von San Xavier del Bac fortgeritten, ohne sie mitzunehmen? Sie waren doch gefesselt und befanden sich in Eurer Gewalt!“
„Kann ich beweisen, daß sie Diebe, Räuber, Mörder, daß sie wirklich die Finders sind? Dieser Beweis muß erst erbracht werden, indem ich ihnen die Gelegenheit gebe, uns zu überfallen. Wenn wir sie dabei ergreifen, sind sie ohne weiteres überführt.“
„Ergreifen! Ihr wollt euch also überfallen lassen?“
„Yes.“
„In Wirklichkeit überfallen lassen?“
„Natürlich! Oder meint Ihr, daß ich nur davon träumen soll?“
„Das ist Scherz; mir aber ist es Ernst. Ich könnte mich meinen Vorgesetzten nicht besser empfehlen, als wenn wir gerade jetzt, da ich der Kommandierende bin, diese berüchtigte Bande in die Hand bekämen. Aber wenn ihr warten wollt, bis sie über euch herfallen, begebt ihr euch in die größte Gefahr!“
„Fällt keinem Menschen ein!“
„Und doch! Der Überfall wird doch in der Weise stattfinden, daß sie euch niederschießen?“
„Wenn wir uns hinstellen, ja; aber der kleine Sam Hawkens wird mit seinen Leuten verschwunden sein.“
„Dann ist aber von einem Überfall keine Rede!“
„Warum nicht? Die Wagen werden überfallen, und wenn wir nicht bei denselben sind, so bleibt die Tat doch ein
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