10 - Der Ölprinz
Beobachtung hatten, sprang er plötzlich auf, schnellte zu dem Pferd hin, warf sich trotz seiner zusammengebundenen Hände in den Sattel, ergriff die Zügel und jagte davon – westwärts, weil er dort von dem Scout erwartet wurde.
Das war so schnell geschehen, und der Schreck lähmte die Glieder der Kavalleristen in der Weise, daß der Flüchtling einen ganz bedeutenden Vorsprung erreicht hatte, ehe hinter ihm der erste Schrei des Zornes und der Überraschung erscholl.
„Schießen, schießen! Schießt ihn aus dem Sattel; aber trefft das Pferd nicht etwa!“ rief der Offizier.
Alle eilten nach den Pferden, an deren Sätteln die Gewehre hingen. Darüber verging viel Zeit, und da das Pferd nicht getroffen werden sollte, war das Zielen schwer. Endlich krachten einige Schüsse, aber weil zu hoch gezielt, gingen die Kugeln über den Flüchtling weg; dann befand er sich außerhalb des Schußbereiches.
Indessen hatten die andern Gefangenen diese Verwirrung benützt, teils davonzulaufen, teils auf ihren Pferden, von denen sie noch nicht gestiegen waren, davonzureiten. Das gab ein wütendes Geschrei und heilloses Durcheinander. Die Kavalleristen mußten sich zerstreuen, um jedem einzelnen Entrinnenden nachzujagen, und so gab es nur vier oder fünf, welche sich hinter Buttler hermachten – ganz vergeblich; sein Vorsprung war zu groß und sein Pferd das schnellere; sie verloren ihn aus den Augen und kehrten schimpfend wieder um. Er aber jagte unaufhaltsam weiter, bis er vor sich einen Reiter erblickte; es war der Scout, sein neuer Verbündeter, der ihn froh bewillkommnete. Beide suchten zunächst ein sicheres Versteck gegen die Verfolger auf und folgten dann am nächsten Morgen, um sich zu rächen, den Spuren des Wagenzuges, welcher ihnen nur eine Tagesreise voraus war. – – –
FÜNFTES KAPITEL
Forners Rancho
Am kleinen Rio San Carlos, einem Nebenfluß des Rio Gila, stand ein Rancho, welcher nach seinem damaligen Besitzer Forners Rancho genannt wurde. Es gehörte diesem Amerikaner eine große Strecke Weideland; zur Feldwirtschaft war nur der am Fluß gelegene Teil desselben geeignet. Das Haus war nicht groß, aber sehr stark aus Steinen gebaut und von einer ebenso starken, doppelt mannshohen Mauer umgeben, welche in regelmäßigen Zwischenräumen von schmalen Schießscharten unterbrochen wurde, hier in dieser abgelegenen und gefährlichen Gegend eine sehr notwendige Einrichtung. Der Hof, welchen diese Mauer umschloß, war so groß, daß Forner im Falle einer Feindseligkeit von seiten der Indianer seinen ganzen Viehbestand in denselben zu retten vermochte.
Es war jetzt die beste Jahreszeit; die Steppe trug dichtes, grünes Gras, in welchem sich zahlreiche Rinder und Schafe gütlich taten; auch einige Dutzend Pferde weideten im Freien, von mehreren Knechten bewacht, welche, ihres friedlichen Amtes waltend, miteinander Karten spielten. Das breite, gegen den Fluß gerichtete Mauertor stand weit offen. Eben jetzt erschien der Ranchero unter demselben, eine echte, sehnige und kräftige Hinterwäldlergestalt. Er überflog mit scharfem, aber zufriedenem Blick die weidenden Herden und beschattete dann seine Augen mit der Hand, um hinaus in die Ferne zu sehen. Da nahm sein Gesicht den Ausdruck der Spannung an; dann wendete er sich um und rief über den Hof hinüber: „Hallo, Boy, stell die Brandyflasche bereit! Es kommt einer, der ihr auf den Boden sehen wird.“
„Wer?“ fragte derjenige, dem dieser Ruf gegolten hatte, nämlich sein Sohn, dessen Gesicht an einem Fenster des Hauses erschien.
„Der Ölprinz.“
„Kommt er allein?“
„Nein. Es sind zwei Reiter mit einem Packpferd bei ihm.“
„Well; wenn sie ebenso trinken wie er, kann ich lieber gleich mehrere Flaschen herausstellen.“
Vor dem Haus lagen zehn oder zwölf Steinquader, welche so geordnet waren, daß der größte, mittelste, den Tisch vorstellte, während die andern, kleineren, als Sessel dienten. Der Sohn kam bald aus dem Haus und stellte drei volle Schnapsflaschen nebst einigen Gläsern auf diesen Tisch; dann schritt er über den Hof herüber, um den Ankömmlingen an der Seite des Vaters entgegenzusehen.
Diese hatten das jenseitige Ufer des Flüßchens erreicht und trieben ihre Pferde in das nicht tiefe Wasser desselben.
„Ist's möglich!“ meinte da Forner erstaunt. „Aber wahrscheinlich irre ich mich. Wüßte wirklich nicht, was diesen Mann aus dem sicheren Arkansas in diese haltlose Gegend führen könnte.“
„Wen?“ fragte der
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