10 - Der Ölprinz
versteht es sich ganz von selbst, daß ich hier, wo es sich um so hohe Summen dreht, mich hundertmal bedenke, ehe ich nur zehn Worte sage.“
„Well, ich begreife das; aber Ihr seid unerfahren hier im Wilden Westen. Ich will gern glauben, daß Ihr in Eurem Comptoir der Mann und Meister seid, dem nichts entgehen kann; die hiesigen Verhältnisse aber sind Euch fremd. Auch von dem Petroleum ganz abgesehen, wollt Ihr, der Ihr ein reicher Mann seid, mit einem Menschen, den Ihr nicht kennt, nach einer Gegend, in welcher Euch im Fall der Gefahr keine Spur von Hilfe werden kann – – –“
„Oh, wir sind ja zwei gegen einen!“ fiel der Bankier ein, indem er auf seinen Begleiter deutete.
„Jetzt; ob aber auch später, das könnt Ihr nicht behaupten. Grinley kann da oben Helfershelfer haben, die auf Euch warten; auch müßt Ihr bedenken, daß die Roten, durch deren Gebiet Ihr kommt, grad jetzt im Aufstand begriffen zu sein scheinen. Und selbst, wenn dies nicht wäre, so gewährt Euch der Umstand, daß Ihr zwei gegen einen seid, nicht die mindeste Sicherheit. Er schießt Euch plötzlich nieder, oder er nimmt Euch im Schlaf fest, um Euch Geld oder sonst etwas abzupressen. Darum habe ich Euch vorgeschlagen, hier zu warten, bis Old Shatterhand und Winnetou kommen. Das sind berühmte und erfahrene Männer, auf deren Urteil Ihr Euch ganz sicher verlassen könnt.“
Rollins blickte eine ganze Weile nachdenklich und still vor sich nieder. Franks Vorstellungen hatten sichtlich Eindruck auf ihn gemacht. Dann fragte er: „Meint Ihr denn, daß beide Gentlemen sich für mein Vorhaben interessieren würden?“
„Ich bin überzeugt davon. Petroleum da oben am Chellyfluß! Ich versichere Euch, daß sie sich den Mann, der das behauptet, sehr genau ansehen würden. Höchstwahrscheinlich würden sie es Euch ganz aus freien Stücken anbieten, mit hinaufzureiten. Und in solcher Begleitung wäret Ihr sicherer, als wenn hundert Soldaten über Euch wachten.“
„Das glaube ich gern; aber wie Ihr gesehen habt, kann ich leider nicht warten, bis sie kommen. Wenn ich darauf bestehe, hier zu bleiben, reitet der Ölprinz ganz sicher ohne mich fort.“
„Davon bin ich auch überzeugt, und ich kenne auch den Grund: er hat die Begleitung solcher Leute höchstwahrscheinlich sehr zu fürchten.“
„Mögt Ihr da recht haben oder nicht, es bleibt mir nur die eine Wahl: Entweder begleiten wir Grinley weiter und setzen uns den Gefahren aus, auf welche Ihr hingedeutet habt, oder ich verzichte auf ein Geschäft, welches Millionen einbringen muß, wenn es glückt.“
„Das ist richtig. Ich habe meine Schuldigkeit getan und Ihr müßt nun selbst wissen, wofür Ihr Euch zu entscheiden habt.“
„Das ist schwer, sehr schwer, zumal diese Entscheidung so rasch getroffen werden muß. Ich habe bis zu dieser Stunde das vollste Vertrauen zu Grinley gehabt; jetzt ist es beinahe erschüttert worden. Was soll ich tun? Verzichten? Die größte Dummheit, die es gäbe, wenn die Sache ehrlich wäre! Mr. Baumgarten, Ihr steht mir hier am nächsten, was werdet Ihr mir raten?“
Der junge Deutsche war dem Gespräch mit Aufmerksamkeit gefolgt, ohne sich an demselben zu beteiligen. Jetzt, da er direkt aufgefordert worden war, zu sprechen, antwortete er: „Die Sache ist so wichtig, daß ich darauf verzichten muß, Euch einen Rat zu geben, es würde dadurch eine Verantwortlichkeit auf mich fallen, die ich nicht auf mich nehmen kann. Also mit Eurer Erlaubnis, Sir, einen direkten Rat nicht; aber was ich an Eurer Stelle tun würde, das kann ich Euch sagen.“
„Nun? Verzichten oder die Gefahr auf mich nehmen?“
„Keines von beiden.“
„Es gibt ja nichts Drittes!“
„O doch!“
„Was wäre das?“
„Wir reiten mit dem Ölprinz weiter, ohne uns dadurch in Gefahr zu bringen.“
„Wie wollt Ihr das anfangen?“
„Wir bitten diese beiden Gentlemen hier, Mr. Frank und Mr. Droll, uns zu begleiten.“
„Hm!“ brummte der Bankier. „Meint Ihr, daß uns dies nützen könnte?“
Er schien die beiden kleinen Männer nicht für voll anzusehen.
„Unbedingt!“ antwortete der Buchhalter im Ton vollster Überzeugung. „Wer mit Winnetou und Old Shatterhand so lange zusammengewesen ist, wie diese meine beiden lieben Landsleute, auf den kann man sich gar wohl verlassen, ganz abgesehen davon, daß Mr. Frank und Mr. Droll auch ohnedies Männer sind, welche Haare auf den Zähnen haben.“
„Zugegeben! Aber ob sie einverstanden sein werden, mit uns zu
Weitere Kostenlose Bücher