10 - Der Ölprinz
waren auch Frauen und Kinder dabei. Einige Reiter hatten Pferde; die übrigen saßen auf Maultieren.
Voran ritt ein kleiner Kerl, welcher in einem großen und viel zu weiten bockledernen Jagdrock stak. Von dem Gesicht waren wegen eines außerordentlich starken Bartwuchses nur zwei kleine, listig blickende Äuglein und eine Nase zu sehen, welche fast erschreckende Dimensionen besaß. Dieses Männchen war Sam Hawkens, welcher mit seinen beiden Gefährten Dick Stone und Will Parker die Leitung der Auswandererkarawane übernommen hatte und mit derselben von dem erst projektierten Weg abgewichen war, weil das Verbleiben auf demselben zu viel Zeit erfordert hätte. Er ließ sein altes Maultier, die ‚Mary‘, aus dem langsamen Marschschritt in Galopp fallen, hielt sie vor Forner an und grüßte: „Good day, Sir!Nicht wahr, diese Niederlassung wird Forners Rancho genannt?“
„Ay, Master, das ist so“, antwortete der Farmer, indem er erst den kleinen und dann die nachfolgenden Reiter musterte. „Ihr scheint wohl Emigranten zu sein, Master?“
„Yes, wenn Ihr nämlich nichts dagegen habt.“
„Ist mir recht, wenn ihr nur ehrliche Kerls seid. Wo kommt ihr her?“
„Ein wenig von Tucson herauf.“
„Da habt ihr einen bösen Weg gehabt, zumal Kinder bei euch sind. Und wo wollt ihr hin?“
„Gegen den Colorado zu. Ist der Ranchero daheim?“
„Yes, wie ihr seht. Ich bin es selbst.“
„So sagt, ob wir bis morgen früh bei Euch rasten dürfen?“
„Soll mir recht sein; denn ich hoffe, daß ich es nicht zu bereuen brauche, wenn ich euch diese Erlaubnis gebe.“
„Werden Euch nicht fressen; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Und was wir vielleicht von Euch entnehmen, das werden wir gern bezahlen.“
Er stieg ab. Der Ölprinz hatte erst fern gestanden, war aber näher gekommen und hatte alles gehört. Er wußte nun, daß er die Auswanderer vor sich hatte, von denen er von seinem Bruder und dem ungetreuen Führer gehört hatte. Die im Hof befindlichen Personen kamen auch an das Tor, und zwar grad in dem Augenblick, in welchem die Gesellschaft dort anlangte, um abzusteigen. Das ging aber nicht so glatt, wie man erwartet hatte. Der Maulesel, auf welchem Frau Rosalie saß, schien seinen Kopf für sich zu haben; er wollte sie nicht herablassen, sondern weiterlaufen. Der Hobble-Frank trat als stets galantes Kerlchen herbei, um ihr behilflich zu sein, und das empörte den Maulesel in der Weise, daß er mit allen vier Beinen zugleich in die Luft ging und sie abwarf. Die Frau hätte sicher einen schweren Fall getan, wenn Frank nicht so gewandt gewesen wäre, sie aufzufangen. Aber anstatt ihm dafür dankbar zu sein, riß sie sich von ihm los, gab ihm einen sehr kräftigen Rippenstoß und fuhr ihn zornig an: „Sheep's-head!“ – was soviel wie Schafskopf bedeutet.
„Sheep's-nose – Schafsnase!“ antwortete er in seiner wohlbekannten Zungenfertigkeit.
„Clown – Grobian!“ fuhr sie wütend fort, indem sie ihm die geballte Rechte entgegenstreckte.
„Stupid girl – dumme Liese!“ lachte er und wendete sich von ihr ab.
Sie hielt ihn für einen Amerikaner und hatte sich also derjenigen englischen Kampfeswörter bedient, welche ihr bekannt waren, die stupid girlaber brachte sie in solche Aufregung, daß sie seinen Arm faßte und ihn deutsch andonnerte, weil ihr englischer Sprachschatz nun nicht weiterreichte. „Sie Esel, großartiger, Sie! Wie können Sie eine Dame schimpfen! Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllerin. Ich werde Sie beim Gerichtsamt anzeigen! Erscht machen Sie mir meinen Esel irre, nachher quetschen Sie Ihre Arme um meine Taille, und endlich werfen Sie mir Schimpfwörter ins Gesicht, die een anschtändiger Mensch gar nich kennen darf. Das muß gerochen werden! Ich werde Sie ganz exemplarisch beschtrafen lassen. Verschtehn Se mich?“
Sie blickte ihn höchst herausfordernd an und stemmte kampfeslustig beide Hände in die Hüften. Der Hobble-Frank trat vor Überraschung einen Schritt zurück und fragte: „Wie war das? Ihr Name ist Rosalie Eberschbach?“
„Ja“, antwortete sie, indem sie ihm diesen Schritt folgte.
„Geborene Morgenschtern?“ fuhr er fort, indem er zwei Schritte retirierte.
„Natürlich! Oder hab'n Sie vielleicht etwas dagegen?“ erwiderte sie, indem sie ihm um zwei Schritte folgte.
„Verwitwete Leiermüllerin?“
„Na, freilich!“ nickte sie.
„Aber da sind Sie doch wohl eene
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