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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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geschlagen worden. Aegons Sohn Jaehaerys hatte ihm den weißen Mantel umgehängt, als er dreiundzwanzig war, nachdem er Maelys den Grässlichen im Krieg der Neunheller-Könige erschlagen hatte. Im gleichen Mantel hatte er neben dem Eisernen Thron gestanden, als der Wahnsinn Jaehaerys’ Sohn Aerys verzehrt hatte. Ich habe dagestanden und zugeschaut und zugehört, und doch habe ich keinen Finger gerührt.
    Aber nein. Das war ungerecht. Er hatte seine Pflicht erfüllt. In manchen Nächten fragte sich Ser Barristan, ob er seine Pflicht vielleicht zu gründlich erfüllt hatte. Er hatte seinen Eid vor den Augen von Göttern und Menschen abgelegt, und er konnte nicht in Ehren dagegen verstoßen … doch in den letzten Jahren von König Aerys’ Herrschaft war es schwer geworden, sich daran zu halten. Er hatte Dinge gesehen, die ihn schmerzten, wenn er sich daran erinnerte, und mehr als einmal hatte er sich die Frage gestellt, wie viel von diesem Blut an seinen eigenen Händen klebte. Wenn er sich nicht nach Duskendale hineingeschlichen hätte, um Aerys aus Lord Darklyns Kerker zu befreien, wäre der König dort vielleicht gestorben, als Tywin Lannister die Stadt plünderte. Dann hätte Prinz Rhaegar den Eisernen Thron bestiegen, und vielleicht hätte er das Reich geheilt. Duskendale war seine beste Stunde gewesen, und trotzdem hinterließ die Erinnerung daran einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge.
    Doch es war sein Scheitern, das ihn in der Nacht heimsuchte. Jaehaerys, Aerys, Robert. Drei tote Könige. Rhaegar, der ein besserer König gewesen wäre als jeder von ihnen. Prinzessin Elia und die Kinder. Aegon, noch ein Säugling, Rhaenys mit ihrem Kätzchen. Tot, sie alle waren tot, nur er lebte noch, er, der geschworen hatte, sie zu beschützen. Und jetzt auch noch Daenerys, seine hell leuchtende Kindkönigin. Sie ist nicht tot. Ich glaube es einfach nicht.
    Der Nachmittag schenkte Ser Barristan eine kurze Ablenkung von seinen Zweifeln. Er verbrachte ihn im Übungssaal im dritten Stockwerk der Pyramide, wo er mit seinen Jungen arbeitete. Er unterrichtete sie in der Kunst von Schwert und Schild, Pferd und Lanze … und in der Ritterlichkeit, dem Ehrenkodex, der einen Ritter über jeden Arenakämpfer erhob. Daenerys brauchte Beschützer in ihrem eigenen Alter, wenn er nicht mehr war, und Ser Barristan war fest entschlossen, ihr solche zu liefern.
    Die Burschen, die er unterrichtete, waren zwischen acht und zwanzig Jahren alt. Er hatte mit mehr als sechzig begonnen, doch für viele hatte sich die Ausbildung als zu hart erwiesen. Nicht einmal die Hälfte war geblieben, doch einige waren viel versprechend. Da ich keinen König zu beschützen habe, habe ich mehr Zeit, um sie zu unterrichten, erkannte er, als er von Paar zu Paar ging und sich anschaute, wie sie mit stumpfen Schwertern und Speeren aufeinander losgingen. Tapfere Jungen. Von niedriger Geburt, ja, aber manche werden gute Ritter abgeben, und sie lieben ihre Königin. Ohne sie hätten sie alle den Tod in der Arena gefunden. König Hizdahr hat seine Arenakämpfer, aber Daenerys wird Ritter bekommen.
    » Den Schild hoch!«, rief er. »Zeigt mir eure Hiebe! Zusammen jetzt! Tief, hoch, tief, tief, hoch, tief …«
    An diesem Abend nahm Selmy ein schlichtes Mahl auf der Terrasse der Königin zu sich, als die Sonne unterging. Im violetten Zwielicht schaute er zu, wie eins nach dem anderen in den großen Stufenpyramiden die Feuer angingen, während die bunten Ziegel von Meereen zuerst grau und schließlich schwarz wurden. Schatten sammelten sich in den Straßen und Gassen unten und bildeten Seen und Flüsse aus Schwärze. In der Dämmerung wirkte die Stadt still und friedlich, beinahe schön. Das ist die Seuche, nicht der Frieden, brachte sich der alte Ritter in Erinnerung und trank einen letzten Schluck Wein.
    Er wollte nicht auffallen, deshalb zog er nach dem Essen seine Hofkleidung aus und tauschte den weißen Mantel der Königinnengarde gegen einen braunen Reisemantel mit Kapuze, wie ihn gewöhnliche Leute trugen. Schwert und Dolch behielt er. Es könnte eine Falle sein. Er vertraute Hizdahr wenig und Reznak mo Reznak noch weniger. Der parfümierte Seneschall könnte dahinterstecken und versuchen, ihn zu einem geheimen Treffen mit Skahaz zu locken, nur um ihnen dann aufzulauern, und sie beide auf einen Streich zu erledigen, indem er sie der Verschwörung gegen den König beschuldigte. Wenn der Schurschädel von Verrat spricht, bleibt mir keine andere Wahl, als ihn zu

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