Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
geschlagen hatte. Er erinnerte sich an die Berührung von König Aegons Schwert auf seiner Schulter, sachte wie der Kuss einer Jungfrau. Als er sein Gelübde sprach, hatte die Stimme ihm den Dienst versagt. Bei dem Fest an jenem Abend hatte er Wildschweinrippchen gegessen, die auf dornische Art mit Drachenpfeffer zubereitet waren, so scharf, dass er sich den Mund verbrannt hatte. Auch nach siebenundvierzig Jahren erinnerte er sich noch an den Geschmack, obwohl er nicht hätte sagen können, was er vor zehn Tagen gegessen hatte, selbst dann nicht, wenn die Antwort das Schicksal aller Sieben Königslande bestimmt hätte. Höchstwahrscheinlich gekochten Hund. Oder eine dieser anderen grässlichen Speisen, die auch nicht besser schmecken.
    Nicht zum ersten Mal fragte sich Selmy, welche Laune des Schicksals ihn hierher verschlagen hatte. Er war ein Ritter aus Westeros, ein Mann aus den Sturmlanden und den Dornischen Marschen, und er gehörte in die Sieben Königslande, nicht hierher an die heiße Küste der Sklavenbucht. Ich bin gekommen, um Daenerys nach Hause zu bringen. Aber er hatte sie verloren, so wie er ihren Vater und ihren Bruder verloren hatte. Sogar Robert. Ihm gegenüber habe ich genauso versagt.
    Vielleicht war Hizdahr weiser, als er ahnte. Vor zehn Jahren hätte ich gespürt, was Daenerys vorhatte. Vor zehn Jahren wäre ich schnell genug gewesen, um sie davon abzuhalten. Stattdessen hatte er verwirrt dagestanden, als sie in die Grube sprang, hatte ihren Namen gerufen, und dann war er ihr nutzlos über den scharlachroten Sand nachgelaufen. Ich werde alt und langsam. Kein Wunder, dass Naharis ihn als Ser Großvater verspottete. Wäre Daario schneller gewesen, wenn er an jenem Tag bei der Königin gewesen wäre? Selmy glaubte, die Antwort auf diese Frage zu kennen, doch sie behagte ihm nicht.
    Letzte Nacht hatte er wieder davon geträumt: Belwas lag auf den Knien und spuckte Blut und Galle, Hizdahr feuerte die Drachentöter an, Männer und Frauen flohen voller Schrecken, kämpften auf der Treppe, kletterten übereinander hinweg, schrien und brüllten. Und Daenerys …
    Ihr Haar stand in Flammen. Sie hatte die Peitsche in der Hand, und sie schrie, und dann saß sie auf dem Rücken des Drachen und flog. Der Sand, den Drogon aufwirbelte, als er mit den Schwingen schlug und aufstieg, stach Ser Barristan in den Augen, doch durch den Tränenschleier hindurch hatte er gesehen, wie das Tier aus der Grube flog. Die großen schwarzen Schwingen waren auf die Schultern der Bronzekrieger am Tor geklatscht.
    Den Rest hatte er später erfahren. Hinter dem Tor hatte ein schreckliches Gedränge geherrscht. Vom Geruch des Drachen in Panik versetzt, hatten sich Pferde aufgebäumt und mit den eisenbeschlagenen Hufen ausgeschlagen. Essensstände und Palankine wurden gleichermaßen umgeworfen, Männer zu Boden gestoßen und totgetrampelt. Speere wurden geschleudert, Armbrüste abgeschossen. Manche trafen ihr Ziel. Der Drache drehte sich heftig in der Luft, seine Wunden rauchten, das Mädchen klammerte sich an seinen Rücken. Und dann hatte er Feuer gespuckt.
    Die Messingtiere hatten den Rest des Tages und den größten Teil der Nacht gebraucht, um die Leichen einzusammeln. Bei der letzten Zählung waren es zweihundertvierzehn Tote gewesen, und dreimal so viele waren verbrannt oder verletzt worden. Zu dieser Zeit hatte Drogon die Stadt schon längst hinter sich gelassen, und zuletzt hatte man ihn hoch über dem Skahazadhan gesehen, wie er in nördliche Richtung davonflog. Von Daenerys Targaryen fehlte jede Spur. Manche schworen, gesehen zu haben, wie sie heruntergefallen war. Andere behaupteten, der Drache habe sie verschleppt, um sie zu verschlingen. Sie irren sich.
    Ser Barristan wusste nicht mehr über Drachen als die Geschichten, die jedes Kind hört, aber er kannte die Targaryen. Daenerys war auf diesem Drachen geritten , so wie Aegon einst in alten Zeiten auf Balerion geritten war.
    »Vielleicht fliegt sie nach Hause«, sagte er laut zu sich selbst.
    »Nein«, murmelte eine leise Stimme hinter ihm. »Das würde sie nicht tun, Ser. Sie würde nicht ohne uns nach Hause gehen.«
    Ser Barristan wandte sich um. »Missandei, Kind. Wie lange stehst du schon da?«
    »Nicht lange. Dieser hier tut es leid, wenn sie Euch gestört hat.« Sie zögerte. »Skahaz mo Kandaq möchte mit Euch sprechen.«
    »Der Schurschädel? Hast du mit ihm gesprochen?« Das war unbesonnen, unbesonnen. Zwischen Skahaz und dem König herrschte tiefe Feindschaft,

Weitere Kostenlose Bücher