10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
zweite Thron blieb leer.
Der wichtige Thron, dachte Ser Barristan. Kein Drachenstuhl kann einen Drachen ersetzen, und mag er auch noch so schön geschnitzt sein.
Rechts der Zwillingsthrone stand Goghor der Gigant, ein Riese von einem Mann mit einem brutalen, narbigen Gesicht. Links stand die Gesprenkelte Katze, der sich ein Leopardenfell über eine Schulter gelegt hatte. Hinter ihnen standen Belaquo Crackbones und Khrazz mit den kalten Augen. Allesamt erfahrene Schlächter, dachte Selmy, aber es ist eine Sache, sich einem Feind in der Arena zu stellen, wo er mit Hörnern und Trommeln angekündigt wird, und eine ganz andere, einen versteckten Meuchelmörder zu entdecken, ehe er zuschlagen kann.
Der Tag war noch jung und frisch, und dennoch fühlte er sich hundemüde, als hätte er die ganze Nacht durchgekämpft. Je älter er wurde, desto weniger Schlaf schien Ser Barristan zu brauchen. Als Knappe hatte er jede Nacht zehn Stunden geschlafen und trotzdem noch gegähnt, wenn er hinaus auf den Übungshof stolperte. Mit dreiundsechzig waren ihm fünf Stunden mehr als genug. Letzte Nacht hatte er fast gar nicht geschlafen. Seine Unterkunft war eine kleine Zelle in den Gemächern der Königin, ursprünglich ein Sklavenquartier. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, einem Nachttopf, einem Schrank für Kleidung und sogar einem Stuhl, falls er sitzen wollte. Auf dem Nachttisch standen eine Kerze aus Bienenwachs und eine kleine geschnitzte Figur des Kriegers. Obwohl er kein frommer Mann war, fühlte er sich damit in dieser seltsamen, fremden Stadt weniger allein, und an die Figur hatte er sich auch während der schwarzen Wachen in der Nacht gewandt. Beschütze mich vor diesen Zweifeln, die an mir nagen, hatte er gebetet, und verleihe mir die Kraft zu tun, was das Richtige ist. Doch weder Gebet noch Sonnenaufgang hatten ihm Sicherheit beschert.
In der Halle herrschte ein solches Gedränge, wie es der alte Ritter noch nie erlebt hatte, doch es waren die Gesichter, die fehlten, die Ser Barristan sofort ins Auge stachen: Missandei, Belwas, Grauer Wurm, Aggo und Jhogo und Rakharo, Irri und Jhiqui, Daario Naharis. Auf dem Platz des Schurschädels stand ein dicker Mann mit einem gestärkten Brustpanzer und einer Löwenmaske, und unter einem Rock aus Lederstreifen schauten schwere Beine hervor: Marghaz zo Loraq, des Königs Vetter und neuer Befehlshaber der Messingtiere. Selmy hatte bereits eine gesunde Verachtung für diesen Mann entwickelt. Diesen Menschenschlag kannte er noch aus King’s Landing – unterwürfig gegenüber den Vorgesetzten, streng zu den Untergebenen, so blind wie prahlerisch und dabei viel zu stolz.
Skahaz könnte ebenfalls in der Halle sein, erkannte Selmy, und sein hässliches Gesicht hinter einer Maske verbergen. Vierzig Messingtiere standen zwischen den Säulen, und der Fackelschein glänzte auf dem polierten Messing ihrer Masken. Jeder von ihnen konnte der Schurschädel sein.
Hundert gedämpfte Stimmen erfüllten den Saal mit ihrem Flüstern und Murmeln und hallten von den Säulen und dem Marmorboden wider. Sie erzeugten ein unheilvolles, wütendes Dröhnen. Es erinnerte Selmy an ein Hornissennest in dem Augenblick, bevor die Hornissen alle gleichzeitig ausschwärmen. Und auf den Gesichtern in der Menge sah er Wut, Trauer, Misstrauen und Angst.
Des Königs neuer Herold hatte den Hof gerade erst zur Ordnung gerufen, da begann die hässliche Litanei. Eine Frau jammerte über den Verlust eines Bruders, der in Daznaks Arena gestorben war, eine andere beklagte den Schaden an ihrem Palankin. Ein fetter Mann riss sich den Verband ab, um dem Hof seinen verbrannten Arm vorzuführen, dessen Haut noch immer offen war und nässte. Und als ein Mann in blau-goldener Tokar über Harghaz den Helden zu sprechen begann, stieß ihn ein Befreiter hinter ihm zu Boden. Sechs Messingtiere waren notwendig, um die beiden zu trennen und aus der Halle zu zerren. Fuchs, Falke, Seehund, Heuschrecke, Löwe, Kröte. Selmy fragte sich, ob die Masken für ihre Träger wohl eine Bedeutung hatten. Trugen sie jeden Tag die gleiche Maske, oder wählten sie jeden Morgen ein neues Gesicht?
»Ruhe!«, verlangte Reznak mo Reznak. »Bitte! Ich werde antworten, wenn ihr nur …«
»Ist es wahr?«, schrie eine Befreite. »Ist unsere Mutter tot?«
»Nein, nein, nein«, schrie Reznak. »Königin Daenerys wird zu gegebener Zeit nach Meereen zurückkehren. Bis dahin wird Seine Erhabenheit König Hizdahr …«
»Mein König ist er nicht«,
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