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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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sah. Das Wetter schien sie zur Eile anzutreiben. Die Wildlinge gerieten aneinander. Ein Mann erlitt einen Messerstich, als er versuchte, sich an anderen vorbeizudrängeln, die schon Stunden in der Kolonne gewartet hatten. Toregg entwand dem Angreifer das Messer, zerrte sie beide aus dem Gedränge und schickte sie zurück ins Wildlingslager, um sich neu anzustellen.
    »Tormund«, sagte Jon, während sie vier alte Frauen beobachteten, die einen Karren voller Kinder durch das Tor zogen, »erzähl mir von unserem Feind. Ich möchte alles über die Anderen wissen, was über sie bekannt ist.«
    Der Wildling rieb sich den Mund. »Nicht hier«, murmelte er, »nicht auf dieser Seite eurer Mauer.« Der alte Mann schaute unbehaglich zu den Bäumen, die in ihren weißen Mänteln dastanden. »Sie sind nie weit entfernt, weißt du. Bei Tag kommen sie nicht heraus, nicht wenn die alte Sonne scheint, aber glaub nicht, das hieße, dass sie verschwunden wären. Schatten verschwinden niemals. Vielleicht siehst du sie nicht, aber sie kleben dir immer an den Hacken.«
    »Hattet ihr auf dem Weg nach Süden Schwierigkeiten mit ihnen?«
    »Sie kamen nie in großer Zahl, wenn du das meinst, aber sie waren immer da und haben an unseren Flanken genagt. Wir haben mehr Kundschafter verloren, als ich mir vorstellen möchte, und es konnte dich das Leben kosten, wenn du zurückgefallen oder zu weit umhergestreift bist. Jeden Abend bei Einbruch der Nacht haben wir einen Ring aus Feuer um unsere Lager gelegt. Feuer mögen sie gar nicht gern, ganz bestimmt nicht. Als jedoch der Schnee kam … Schnee und Graupel und Eisregen … da wurde es immer schwieriger, trockenes Holz zu finden oder den Zunder in Brand zu setzen, und die Kälte … in manchen Nächten fielen unsere Feuer einfach in sich zusammen und erstarben. Und nach solchen Nächten findet man am Morgen immer ein paar Tote. Wenn sie nicht dich zuerst finden. In der Nacht, in der Torwynd … mein Junge, er …« Tormund wandte das Gesicht ab.
    »Ich weiß«, sagte Jon Snow.
    »Du weißt gar nichts. Du hast einen toten Mann getötet, ja, das habe ich gehört. Mance hat hundert getötet. Ein Mann kann gegen die Toten kämpfen, aber wenn ihre Herren kommen, wenn sich der weiße Nebel erhebt … wie kämpft man gegen einen Nebel, Krähe? Gegen Schatten mit Zähnen … gegen Luft, die so kalt ist, dass es schmerzt, sie einzuatmen, als würde dir ein Messer in die Brust stechen … du weißt es nicht, du kannst es nicht wissen … kann dein Schwert durch Kälte schneiden?«
    Das werden wir sehen, dachte Jon und erinnerte sich daran, was ihm Sam erzählt hatte, daran, was sein Freund in seinen alten Büchern gefunden hatte. Longclaw war in den Feuern des alten Valyria geschmiedet worden, war in Drachenflammen geschmiedet und mit Zaubersprüchen gehärtet worden. Drachenstahl hat Sam ihn genannt. Stärker als gewöhnlicher Stahl, leichter, härter, schärfer … Aber Worte in einem Buch waren eine Sache. Die wahre Prüfung stand in der Schlacht bevor.
    »Da hast du wohl recht«, sagte Jon. »Ich weiß es nicht. Und wenn die Götter gnädig sind, werde ich es auch niemals erfahren.«
    »Die Götter sind selten gnädig, Jon Snow.« Tormund deutete mit dem Kopf zum Himmel. »Die Wolken ziehen heran. Es wird schon dunkler und kälter. Eure Mauer weint nicht mehr. Sieh nur.« Er drehte sich um und rief seinen Sohn Toregg zu sich. »Reite zurück zum Lager und treibe sie an. Die Kranken und die Schwachen, die Langschläfer und die Feiglinge, bring sie verdammt nochmal auf die Beine. Setz ihre verfluchten Zelte in Brand, wenn es sein muss. Das Tor muss bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen werden. Jeder, der bis dahin nicht durch die Mauer ist, sollte lieber beten, dass ihn die Anderen vor mir erwischen. Hast du verstanden?«
    »Ich habe verstanden.« Toregg spornte sein Pferd an und galoppierte an der Kolonne entlang nach hinten.
    Immer mehr Wildlinge zogen vorbei. Es wurde dunkler, genau wie Tormund gesagt hatte. Wolken bedeckten den Himmel von Horizont zu Horizont, und die Wärme verflog. Am Tor wurde mehr gedrängelt, als Menschen und Ziegen und Ochsen einander gegenseitig aus dem Weg schoben. Das ist nicht nur Ungeduld, begriff Jon. Sie haben Angst. Krieger, Speerfrauen, Räuber, sie haben Angst vor diesem Wald, vor den Schatten, die durch die Bäume ziehen. Sie wollen hinter der Mauer sein, ehe die Nacht anbricht.
    Eine Schneeflocke tanzte durch die Luft. Und noch eine. Tanzt mit mir, Jon Snow, dachte

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