10 - Operation Rainbow
Chavez hatten freie Sicht. Das kleine Mädchen sah krank aus und verängstigt dazu; in ihrem Rollstuhl war sie nach links gerutscht und versuchte aufzublicken, um den Mann zu sehen, der sie schob. Er war über vierzig, registrierten die Teamleiter, Schnurrbart, kein Vollbart, Größe, Gewicht und Körperbau durchschnittlich; seine dunklen Augen gaben nichts preis. Im menschenleeren Park war es ganz still geworden. Man hörte die Gummireifen im gepflasterten Hof rollen.
»Wo ist Mami?« fragte Anna auf Englisch, das sie in der Schule gelernt hatte.
»Du kriegst sie gleich zu sehen«, versprach Neun. Er stieß den Wagen in die Auffahrt zur Burg, die rings um eine Statue führte, eine sanfte Steigung beschrieb und sich dann im Uhrzeigersinn abwärts wand, bevor sie in eine Gartenterrasse auslief. Oben stellte er den Rollsruhl ab, mitten auf dem Weg, der glatt asphaltiert und etwa fünf Meter breit war.
Andre blickte sich um. Polizisten müßten hier sein, aber nichts bewegte sich, außer den Waggons der Tauchbomber; er brauchte gar nicht hinzuschauen, so vertraut war ihm das Fahrgeräusch. Wirklich schade um das Mädchen. Neun zog die Pistole aus dem Gürtel und...
***
»Zwei-Eins, er greift zur Pistole«, berichtete Homer Johnston atemlos. »Verdammt, gleich wird er...«
***
... der Schuß traf Anna in den Rücken, durchschlug ihr Herz. Ein Blutfleck malte sich auf der flachen Hemdbrust ab, und der Kopf des Mädchens sackte nach vorn. Sofort gab der Mann dem Rollstuhl einen Stoß; er sauste die sich windende Auffahrt hinunter, prallte hier und da von der Mauer ab und gelangte schließlich auf die Terrasse, wo er stehenblieb.
Covington zog die Beretta und hob sie. Es wäre kein einfacher Schuß, aber er hatte neun Patronen im Magazin, das reichte, um...
»Waffen sichern!« donnerte es in seinem Kopfhörer. »Waffen sichern! Nicht schießen!« befahl Clark.
»Scheiße!« keuchte Chavez dicht neben Peter Covington.
»Allerdings«, nickte der Engländer. Er steckte die Pistole ins Halfter zurück und sah zu, wie der Mann kehrtmachte und im Schutz des Burghofs verschwand.
»Ich bin auf Ziel. Gewehr Zwei-Eins ist auf Ziel!« ließ sich Johnston über Sprechfunk vernehmen.
»Nicht schießen. Hier Six, Waffe sichern, verdammt noch mal!«
***
»Scheiße!« schimpfte Clark in der Notverwaltung. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Scheiße!« Dann klingelte das Telefon.
»Ja?« meldete sich Bellow, der neben dem Rainbow-Kommandanten saß.
»Sie waren gewarnt«, erklärte Eins. »Sorgen Sie für Strom, sonst ist das nächste Kind dran.«
15 - WEISSE HÜTE
»Wir hätten nichts tun können, John. Nicht das geringste«, versicherte Bellow und sprach aus, wofür den anderen der Mut fehlte.
»Und was jetzt?« fragte Clark.
»Ich fürchte, wir müssen den Strom wieder einschalten.«
Als sie sich den TV-Monitoren zuwandten, rannten drei Männer auf das Kind zu. Zwei trugen den Tricornio der Guardia Civil. Der dritte war Dr. Hector Weiler.
***
Chavez und Covington beobachteten dieselbe Szene aus nächster Nähe. Weiler trug seine Berufskleidung, einen weißen Laborkittel, blieb abrupt vor dem Kind stehen und berührte den noch warmen, aber erschlafften Leichnam. Auch aus fünfzig Metern Entfernung sah man die zusammengefallenen Schultern. Die Kugel war direkt durchs Herz gegangen. Der Doktor wechselte ein paar Worte mit den Polizisten, und einer von ihnen schob den Rollstuhl von der Terrasse, direkt an den beiden Rainbow-Kämpfern vorbei.
»Augenblick mal, Doc!« rief Chavez halblaut und trat auf den Weißkittel zu. Ding erinnerte sich plötzlich, daß seine Frau werdendes Leben im Leib trug, das sich vielleicht gerade jetzt rührte, während Sandy im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß oder ein Buch las. Das kleine Mädchen sah ganz friedlich aus, als schliefe es fest, und er konnte nicht anders, er mußte ihr über das weiche Haar streichen. »Wie stand es um sie, Doc?«
»Sie war sehr krank, vielleicht tödlich. In meiner Praxis muß ihre Patientenakte liegen. Wenn die Kinder herkommen, gibt man mir gewöhnlich einen Zustandsbericht, falls eine Verschlechterung eintritt.« Der Arzt biß sich auf die Lippen und blickte auf. »Doch selbst wenn sie im Sterben lag, war sie noch nicht tot, noch nicht ganz ohne Hoffnung.« Weiler war der Sohn einer spanischen Mutter und eines deutschen Vaters, der im Zweiten Weltkrieg nach Spanien emigriert war. Er hatte hart arbeiten müssen, um sich das
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