10 - Operation Rainbow
darin, ein computergestütztes Raster zu benutzen, um die Eigentümer der Telefonanschlüsse ausfindig zu machen. Das war schnell erledigt. Als nächstes mußten sie die drei Männer aufsuchen und verhören, die angeblich mit Mary Bannister und Anne Pretloe zusammengewesen waren. Möglicherweise war einer von ihnen der Serientäter oder Entführer. Wenn ersteres zutraf, würde er geschickt und mit krimineller Energie reagieren. Ein Serientäter glich einem Jäger auf Menschenpirsch; die Klügeren von ihnen verhielten sich merkwürdigerweise wie Soldaten. Sie mußten ihre Opfer erst auskundschaften, Gewohnheiten und Schwächen kennenlernen, dann spielten sie mit ihnen Katz und Maus, und wenn der Spaß vorbei war, töteten sie sie. Der Mordfall selbst, als Teilaspekt dieses Geschehens, war strenggenommen nicht Sache des FBI, die Entführung schon, wenn der Killer sein Opfer über die Staatsgrenze verschleppt hatte. Daß wenige hundert Meter von Manhattan entfernt eine Staatsgrenze verlief, berechtigte die Agenten, sich einzuschalten. Bei ihren Ermittlungen mußten sie sorgfältig vorgehen; Serientäter tarnten sich nach außen oft durch harmloses Auftreten, schon um Vertrauen einzuflößen. Gewiß galt er als netter, freundlicher, womöglich gutaussehender Zeitgenosse, vollkommen gutartig - bis zu dem Moment, wo es zu spät war und er sein Opfer in den Krallen hatte. Diese Sorte Verbrecher war - nach Überzeugung beider Agenten - die allerschlimmste.
***
Versuchsperson F-4 näherte sich mit Riesenschritten dem Ende. Weder Interferon noch Interleukin-3a hatte ihren Shiva-Ketten etwas anhaben können, die s ich lustvoller denn je vermehrten und ihre Leber mit verdoppelter Energie angriffen, ebenso die Milz, die sich unter schweren inneren Blutungen zersetzte. Eigentlich merkwürdig, dachte Killgore. Am Anfang ließ sich Shiva Zeit, aber dann gab es kein Halten mehr; es fiel mit aller Gier über die Eingeweide der Testperson her. Mary Bannister dürfte noch fünf Tage leben, mehr nicht.
M-7, Chip Smitton, war ein wenig besser dran. Sein Immunsystem wehrte sich nach Kräften, doch Shiva ließ sich nicht kleinkriegen; bei ihm arbeitete das Virus langsamer, doch ebenso unausweichlich wie bei F-4.
Killgore hatte sich die Mühe gemacht und die detaillierten Krankengeschichten dieser Versuchsperson nachvollzogen. Bannisters Familie hatte eine Brustkrebs-Tradition - ihre Mutter und Großmutter hatte der Brustkrebs hingerafft, und sie wurde rascher als alle anderen von Shiva befallen. Gab es eine Korrelation zwischen erhöhtem Krebsrisiko und der Empfänglichkeit für Infektionen? Konnte das bedeuten, daß dem Krebs eine Störung des Immunsystems zugrunde lag, wie die medizinische Forschung längst vermutete? Das ergäbe Stoff für einen Artikel im New England Journal of Medicine - Publikationen wären seinem Gelehrtenruhm zuträglich, aber er würde keine Zeit dafür finden, und wenn er erschien, gab es sowieso kaum noch Leser. Aber man könnte in Kansas davon berichten, dort würden noch Mediziner praktizieren, die das Todesgen erforschen und eliminieren wollten. Die hervorragendsten Kapazitäten bei Horizon waren gar nicht Teil des Projekts, aber sie zu töten hieße, sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Darum würden auch sie, wie so viele andere, vom Großmut der Projektleitung profitieren. Man würde weit mehr Menschen das Überleben gestatten als notwendig - schon der genetischen Vielfalt wegen, und kluge Köpfe, die das Projekt mit der Zeit schon begreifen und gutheißen würden, konnten sie immer brauchen. Sie hatten sowieso keine Wahl. Schließlich waren sie mit dem B-Impfstoff versehen, den Steve Berg zusammen mit der tödlichen A-Variante entwickelt hatte. Jedenfalls war seine Überlegung von wissenschaftlichem Wert, auch wenn sie den Versuchspersonen nichts mehr nutzte, die jetzt allen verfügbaren Raum im Behandlungstrakt einnahmen. Killgore sammelte seine Akten ein und begann seinen Rundgang mit einem Besuch bei F-4, Mary Bannister.
Allein die hohe Morphiumdosis machte ihr das Dahinvegetieren erträglich. Dieselbe Dosis konnte für eine gesunde Person lebensgefährlich sein und hätte auch den abgebrühtesten Drogenfixer entzückt.
»Na? Wie fühlen wir uns denn heute früh?« erkundigte sich der Doktor heiter.
»Schlapp... schwach... elend...«, gab Mary Bannister zur Antwort.
»Und was machen die Schmerzen, Mary?«
»Ungefähr hier... aber nicht schlimm... im Magen vor allem.« Ihr Gesicht war
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