10 - Operation Rainbow
zehn Minuten an. Vorsicht war geboten. Nur weil er das wußte, und ein paarmal Glück gehabt hatte - wie er zugeben mußte - hatte er in diesem Bürgerkrieg so lange überlebt. Zwei Minuten später piepste das Handy. Grady erhob sich und trat vor die Tür, um den Anruf entgegenzunehmen, den er längst erwartete.
»Ja bitte?«
»Sean, hier ist Joe.«
»Hallo, Joe!« freute sich Grady. »Wie ist das Wetter in der Schweiz?«
»Im Augenblick bin ich noch in New York«, erklärte Popov am anderen Ende. »Ich wollte Ihnen nur ausrichten, daß die Geschäfte, über die wir gesprochen haben, abgeschlossen sind. Die Finanzierung steht.«
»Ausgezeichnet, Joe. Und was ist mit der anderen Sache?«
»Die bringe ich dann persönlich mit. In zwei Tagen bin ich bei Ihnen. Ich werde im Firmenjet nach Shannon gebracht. Ankunft morgens gegen sechs Uhr dreißig.«
»Ich lasse Sie abholen«, versprach Grady.
»Freut mich, mein Lieber. Also, bis dann!«
»Wiederhören, Joe.«
»Bye, Sean.« Dann war es still in der Leitung. Grady schaltete "das Gerät aus und steckte es wieder ein. Daß ihn jemand abgehört hatte, hielt er für unwahrscheinlich - ringsum erstreckte sich bis zum Horizont unbewohnte Landschaft, und außer seinem LKW war nirgends ein geparkter Wagen zu sehen. Und wenn jemand wüßte, wo er war, wäre man ihn und seine Männer längst holen gekommen, notfalls mit ganzen Heerscharen bewaffneter Soldaten und Polizisten. Selbst wenn ihn jemand anzapfte, hatte er nur einem unverfänglichen Wortwechsel unter Geschäftsleuten gelauscht, knapp und allgemein gehalten. Er kehrte in die Kneipe zurück.
»Wer war's denn, Sean?« wollte Roddy Sands wissen.
»Unser Joe«, erwiderte Grady. »Er hat besorgt, was wir haben wollten. Wir werden also baldmöglichst losschlagen, denke ich.«
»Auf Irland!« Roddy hob das Glas und leerte es in einem Zug.
***
Der Sicherheitsdienst, der früher MI (Military Intelligence)-5 genannt wurde, erfüllte schon seit mehr als einer Generation zwei vordringliche Aufgaben. Eine bestand darin, die Spionage der Sowjets gegen die britische Regierung aufzuklären - was leider viel Arbeit mit sich brachte, denn der KGB und seine Vorgänger hatten mehr als einmal die britische Abwehr durchbrochen. Einmal wäre es ihnen fast gelungen, ihren Agenten Kim Philby in den MI-5 einzuschleusen, was den Sowjets Einblick in alle geheimdienstlichen Aktivitäten der Engländer verschafft hätte. Im Rückblick flößte die Schlappe den Five-Leuten immer noch Angst und Schrecken ein. Die zweite Aufgabe war, die Irische Republikanische Armee und andere irische Terrorkommandos zu unterwandern, ihre Anführer möglichst zu identifizieren und auszuschalten; dieser Kleinkrieg folgte althergebrachten Mustern. Mal entsandte man die Polizei, um Verhaftungen durchzuführen, mal rückten SAS-Truppen aus, um offensiver gegen die Täter vorzugehen. Dieses zweigleisige Vorgehen hing damit zusammen, daß sich die englische Regierung nicht entscheiden konnte, ob sie das »Irenproblem« der allgemeinen Kriminalität zuordnen oder als Frage der nationalen Sicherheit behandeln sollten. Im Ergebnis trug aus Sicht des FBI die Unentschlossenheit nur dazu bei, daß sich die sogenannten »Unruhen« in Nordirland nunmehr fast über drei Jahrzehnte erstreckten.
In politischen Angelegenheiten waren die Five-Mitarbeiter jedoch nicht kompetent. Das war Sache der gewählten Volksvertreter. Die hörten freilich oft nicht einmal auf ihre geschulten Experten, die zeitlebens mit dieser Materie befaßt waren. Ohne Einfluß auf die Politik zu haben, mußten sie der traditionellen Linie folgen, Erkentnnisse sammeln und voluminöse Akten über bekannte und mutmaßliche IRA-Täter anlegen für den Fall, daß eine andere Regierungsbehörde einschreiten wollte.
In erster Linie rekrutierten sie Zuträger. Die eigenen Genossen anschwärzen war bei den Iren ein beliebter Zeitvertreib, den die Engländer seit jeher für ihre Zwecke nutzten. Immer wieder wurde spekuliert, woher das kam. Meist machte man die Konfession dafür verantwortlich. Die IRA betrachtete sich als Schutztruppe der katholischen Iren, doch diese Orientierung hatte ihren Preis. In den Herzen derer, die im Namen ihrer religiösen Überzeugung töteten, waren die ethischen Grundsätze und Lebensregeln des Katholizismus lebendig. Daher hatten sie immer wieder mit Schuldgefühlen zu kämpfen, die sie nicht für sich behalten konnten.
>Five< führte ein umfangreiches Dossier über
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