10 - Operation Rainbow
Sean Grady, ebenso wie über andere IRA-Führer. In Gradys unmittelbaren Umkreis hatte man einst einen Informanten einschleusen können, der bedauerlicherweise verstummt, verschwunden, zweifellos ermordet worden war. Daß Grady schon früh mit den >Knieschüssen< aufgehört hatte, war bekannt. Heute pflegte er undichte Stellen in der Geheimhaltung durch Mord zu schließen, ohne daß die Leichen je auftauchten. >Five< unterhielt dreiundzwanzig Informanten in diversen PIRA-Einheiten. Vier waren Frauen, deren Moral unter dem irischen Durchschnitt lag; die übrigen neunzehn waren auf die eine oder andere Weise angeworbene Männer, auch wenn drei von ihnen nicht einmal wußten, daß der britische Geheimdienst Informationen durch sie bezog. Der Sicherheitsdienst tat sein Bestes, um sie zu schützen; wenn sie ausgedient hatten, holte man sie meist nach England, um ihnen für den Rest ihres Lebens eine neue, gesicherte Identität in Kanada zu verschaffen. Doch im allgemeinen galten sie als Trumpfkarten, die >Five< so lange wie irgend möglich nutzte, denn die Mehrheit von ihnen hatte selbst gemordet oder Beihilfe geleistet, sie waren also Kriminelle und Verräter zugleich, deren Gewissen sich einfach zu spät gemeldet hatte, um bei ihren Führungsoffizieren großes Mitleid zu erwecken.
Grady war wie vom Erdboden verschluckt. Mehr ging aus seinem Dossier nicht hervor. Manche vermuteten gar, ein Konkurrent habe ihn beseitigt, doch entsprechende Hinweise konnten auch durch die PIRA-Führung selbst ausgestreut worden sein. Grady wurde sogar von den innerparteilichen Feinden respektiert, als leidenschaftlicher Kämpfer für die Sache und kluger Taktiker, der in Londonderry mehr Polizisten und Soldaten auf dem Gewissen hatte als viele andere. Auch der Sicherheitsdienst fahndete noch immer nach ihm wegen der drei SAS-Leute, die er gefangennehmen, foltern und ermorden ließ. Diese Leichen hatte man gefunden, und die Empörung innerhalb des SAS schwelte noch immer. Das 22. Special-Air-Service-Regiment würde so etwas nicht vergessen und niemals vergeben - töten, das schon, aber foltern nie.
Cyril Holt, zweiter Direktor des Sicherheitsdienstes, schloß gerade seinen Vierteljahresbericht über die dringendsten Fälle ab, als er bei Gradys Dossier innehielt. Irgendwie glitt er ihnen immer wieder durch die Finger. Wenn er tot war, hätte Holt doch davon gehört. Möglich war auch, daß er den Kampf aufgegeben und eingesehen hatte, daß der politische Flügel der IRA endlich Friedensverhandlungen aufnehmen mußte, was er durch Einstellen der Anschläge unterstützen wollte. Doch das mochten Holt und seine Leute nicht recht glauben. Dem Charakterprofil zufolge, das der Chef der Psychiatrieabteilung im Londoner Guy's Hospital erstellt hatte, würde er der letzte sein, der die Flinte ins Korn wirft und den Frieden mit den Besatzern herbeiwünscht.
Blieb als dritte Möglichkeit, daß er noch immer da draußen lauerte, in Ulster, oder in der Republik - wohl eher dort, denn die meisten Five-Informanten saßen im Norden. Holt musterte Gradys Fotos und die der rund zwanzig PIRA-Soldaten unter seinem Kommando, für die es jeweils Einzeldossiers gab. Keins der Bilder lohnte die Auffrischung durch den Computer. Er nahm an, daß der militante PIRA-Führer noch immer aktiv war; Anschläge plante, die klappten oder vereitelt wurden; und sich ansonsten in seiner Tarnexistenz ruhig verhielt. Was blieb Holt und seinen Leuten anderes übrig, als die Augen offenzuhalten? Er machte eine Aktennotiz, klappte den Deckel zu und schob das Dossier in die Ablage. Anderntags würden seine Notizen in den Five-Rechner eingespeist werden, dessen Datenbanken nach und nach die Aktenberge ersetzten. Holt mochte ihn nicht. Ihm war es lieber, die Akten in der Hand zu halten.
***
»Schon so bald?« fragte Popov.
»Warum nicht?« versetzte Brightling.
»Sie müssen es wissen, Sir. Und das Kokain?« fügte er mißmutig hinzu.
»Ist schon verpackt. Zehn Pfund in medizinisch reiner Zusammensetzung aus unserem eigenen Lager. Die Reisetasche nehmen Sie ins Flugzeug mit.«
Drogentransporte durchzuführen gefiel Popov ganz und gar nicht, und keineswegs, weil ihm plötzlich moralische Bedenken gekommen wären. Aber er fürchtete die Zollbeamten und ihre Hunde. Brightling sah, wie er die Stirn in Furchen legte, und mußte grinsen.
»Seien Sie unbesorgt, Dmitrij. Wenn es Probleme gibt, sagen Sie einfach, Sie bringen das Zeug zu unserer Filiale in Dublin! So steht es
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