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10 - Operation Rainbow

10 - Operation Rainbow

Titel: 10 - Operation Rainbow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Fall war? Bei ihren ersten Praktika in der Uniklinik mußte sie streunende Hunde töten. Den Tieren gab man sieben Tage, und dann, wenn niemand sie abholte, wurden sie eingeschläfert -  abgespritzt , wie sie heute sagen würde, hauptsächlich mit großen Dosen Phenobarbital. Die Injektionen kamen nach ihrer Erinnerung in die vordere linke Pfote, und der Hund schlief fünf Sekunden später einfach ein. Hinterher mußte sie immer weinen; es wurde immer Dienstagnuttags gemacht, direkt vor dem Essen, und sie bekam dann keinen Bissen mehr herunter, manchmal nicht einmal zum Abendbrot, wenn sie einen besonders süßen Hund hatte töten müssen. Man legte die Tiere nebeneinander auf den stählernen Behandlungstisch, und ein anderer Mitarbeiter mußte sie testhalten, damit sie ruhig blieben. Sie redete immer beruhigend auf die Tiere ein, um ihnen die Angst zu nehmen und einen leichten Tod zu verschaffen. Jetzt biß sich Archer auf die Lippen und kam sich vor wie Adolf Eichmann - obwohl der sich ja kein Gewissen daraus gemacht hatte.
    »... geht's beschissen«, murmelte Mary Bannister als Antwort.
    »Dann wird Ihnen das jetzt helfen«, versprach Archer, holte die Spritze hervor und zog den Plastikschutz von der Nadel ab. Drei Schritte mußte sie um das Bett herumgehen, um nach den Arm von F-4 zu fassen und ihn festzuhalten, bevor sie an der Vene unter dem Ellbogen ansetzte. Ein letzter Blick in die Augen der Versuchsperson, und sie drückte die Nadel hinein.
    Marys Augen weiteten sich. Die Pottaschelösung verbrannte die Adern beim Eintreten in den Kreislauf. Ihre rechte Hand flog zum linken Oberarm, und eine Sekunde später an den Brustkasten, während das Brennen schon ihr Herz erreichte. Die Pottasche ließ den Herzschlag augenblicklich verstummen. Die EKG-Anzeige neben dem Bett hatte bislang eine relativ gleichmäßige Welle gezeigt; jetzt zeigte sie kurzzeitig Zacken, fiel dann in eine gerade Linie zurück und löste den Alarmpiepser aus. Marys Augen blieben seltsamerweise offen; das Gehirn verfügte noch über ausreichend Sauerstoff, um auch nach dem Herzstillstand noch rund eine Minute ak tiv zu bleiben. Der Schock war ihr anzusehen. F-4 konnte nicht sprechen, sich nicht wehren, denn ihr Atem erstarb ebenso rasch wie ihr Herz, aber sie sah Archer direkt in die Augen... Fast wie jener Hund damals, dachte die Ärztin, obwohl die Hunde nie so anklagend dreingeblickt hatten wie diese Frau hier. Archer erwiderte den Blick ohne Scheu und, anders als bei den Tieren damals, ohne jede Gefühlsregung. Es dauerte keine volle Minute, bis F-4 die Augen brachen, dann war sie tot. Eine weniger. Noch neun weitere, bevor Dr. Archer Feierabend machen und heimfahren konnte. Hoffentlich hatte es mit der Videoaufnahme geklappt. Sie wollte einen Naturfilm über die Wölfe im Yellowstone-Park nicht verpassen, aber das verdammte Gerät zu programmieren raubte ihr jedesmal den letzten Nerv.

    Dreißig Minuten später waren die Leichen in Plastik eingeschweißt und wurden auf Bahren zum Krematorium gerollt. Der Ofen war ein Spezialmodell für medizinische Zwecke, mit dem überflüssiges biologisches Material wie Föten oder amputierte Glieder beseitigt wurde. Die Naturgas-Feuerung erreichte extrem hohe Temperaturen, die selbst Zahnfüllungen vernichtete und alles in feinste Aschewölkchen verwandelte, die der Wind in die Atmosphäre trug und aufs Meer hinaustrieb. Die Sterbezimmer wurden gründlich gereinigt, um jeden verbliebenen Hauch von Shiva zu beseitigen, und ab morgen würde es keine aktiven, alles Organische zerfressenden Virusketten mehr geben. Für die Projektteilnehmer war es ein Segen, dachte Archer auf dem Heimweg. Shiva war ein nützliches Werkzeug für ihr Endziel, doch so tückisch, daß sie dem Virus keine Träne nachweinten.

    ***

    Fünf Stunden Schlaf hatte Popov auf dem Interkontinentalflug gefunden; der Steward rüttelte ihn zwanzig Minuten vor der Landung in Shannon wach. Der ehemalige Küstenflughafen, wo einst die Boeing-Clipper von Pan American gelandet waren, bevor sie Southampton ansteuerten - und wo der Irish Coffee als Wecktrunk für die Passagiere erfunden worden war -, lag im Westen Irlands inmitten von Äckern und grünen Feuchtgebieten, die im Morgenlicht aufglänzten. Popov machte sich in der Toilette ein wenig frisch und nahm seinen Platz wieder ein. Bald setzte der Flieger sanft auf und rollte fast bis zum Reiseterminal aus. Dort standen einige andere Firmenjets am Flugsteig, die der von Horizon

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