10 - Operation Rainbow
Fragen der Geheimhaltung. Ein Außenseiter verlangte zu wissen, was nur dem innersten Kreis bekannt sein durfte. Einige Sekunden ruhte Gradys gefühlloser Blick auf ihm. Doch der Ire gab schließlich nach. Wenn er erst nachgeprüft hatte, ob das Geld wirklich an Ort und Stelle war, kehrte sein Vertrauen in den Ex-KGB'ler zurück - die Ablieferung von zehn Pfund reinen Kokains sprach bereits deutlich für ihn. Es sei denn, die Garda würde ihn noch am selben Nachmittag festnehmen. Aber zu den Verrätern gehörte dieser Popov nicht, oder?
»Übermorgen. Die Operation beginnt pünktlich um ein Uhr nachmittags.«
»So bald schon?«
Es freute Grady, daß ihn der Russe unterschätzt hatte.
»Warum noch lange warten? Wir haben alles, was wir brauchen - jetzt, wo auch die Kasse stimmt.«
»Sie sagen es, Sean. Brauchen Sie sonst noch etwas?«
»Nein.«
»Dann werde ich mich, mit Ihrer Erlaubnis, auf den Rückweg machen.«
Diesmal schüttelten sie die Hände. »Daniel fährt Sie. Nach Dublin?«
»Richtig. Meine Maschine startet von dort.«
»Sagen Sie ihm Bescheid, er setzt Sie ab, wo Sie möchten.«
»Danke, Sean - und viel Glück! Wir könnten uns anschließend wieder treffen.«
»War mir ein Vergnügen.«
Popov nahm ihn noch einmal in Augenschein - es war das letzte Mal, mit Sicherheit, allen Beteuerungen zum Trotz. Grady wirkte lebhafter als gewöhnlich, seine Augen glänzten. Er sehnte sich nach dem revolutionären Anschlag, der ihn auf den Gipfelpunkt seiner Karriere katapultieren würde. Da war eine Grausamkeit zu spüren, die Popov nie zuvor aufgefallen war. Wie Fürchtner und Dortmund war auch dieser Mann hier eher Raubtier als Mensch. Er mochte noch so viel Erfahrung im Umgang mit Terroristen haben, daran würde sich Popov nie gewöhnen. Man erwartete von ihm, daß er Gedanken las, aber hier nahm er nur völlige Leere wahr, nichts als die Abwesenheit von menschlichen Regungen. Sie waren allesamt durch die Phrasen einer Ideologie ersetzt worden, die ihn - wohin führen würde? Wußte Grady es selbst? Vielleicht nicht. Er dünkte sich auf dem besten Weg in eine leuchtende Zukunft - das war eins der beliebtesten Schlagwörter der KPdSU gewesen. Doch der verlockende Horizont war viel weiter entfernt, als er dachte, und sein blendender Schein überstrahlte die unmittelbar vor ihm liegenden Fallgruben. Und falls Grady wirklich je sein Ziel erreichen würde, wäre er als Herrscher eines Volkes eine Fehlbesetzung, nicht viel anders als Stalin, Mao und all die anderen. So weit entfernt vom gesunden Menschenverstand, daß er schon wieder exotisch wirkte: ein Wesen, für das Leben und Tod nichts zutiefst Menschliches waren, sondern nur Mittel zum Zweck, um eine Utopie durchzusetzen. Von allem, was Karl Marx hinterlassen hatte, war diese Verirrung die schlimmste. Sean Grady hatte die ihm innewohnende Menschlichkeit, sein ganzes Gefühlsleben, durch ein Zukunftsmodell ersetzt, das mit mathematischer Präzision errechnete, wie es sein sollte. Und er war dieser Vision viel zu sehr verfallen, um noch den Tatsachen ins Gesicht zu sehen, die zeigten, daß sie bereits gescheitert war. Er jagte nur noch einer Schimäre nach, war selbst ein Gespenst geworden ohne festen Halt, ohne Berührung mit der Wirklichkeit, das willenlos der eigenen Vernichtung entgegenging - auch wenn er noch so viele andere vorher tötete. Und jetzt hatte ihn der Jagdinstinkt wieder gepackt, die Augen glänzten. Seine ideologische Brille ließ keinen Durchblick auf die Wirklichkeit zu - die selbst in Rußland zu ihrem Recht kam, nach siebzig Jahren, in denen die gleiche Schimäre geherrscht hatte. Glänzende Augen eines blinden Meisters. Wie seltsam, dachte der Russe, und wandte sich zum Gehen.
***
»Jetzt bist du wieder an der Reihe, Peter«, rief Chavez seinem Team-1-Kollegen zu. In den nächsten Wochen hatte Team-1 Bereitschaftsdienst, während Team-2 nur als Ersatzmannschaft im Hintergrund blieb und wieder intensiver trainierte.
»Du sagst es, Ding«, gab Covington zurück. »Allerdings tut sich weltweit rein gar nichts.«
Die aktuellen Informationen, die sie aus diversen Geheimdiensten bezogen, wirkten einigermaßen tröstlich. V-Leute hatten mit namhaften oder mutmaßlichen Terroristen gesprochen - meist mit letzteren, weil die aktiven zumeist hinter Gittern saßen. Diese berichteten, daß der Worldpark-Zwischenfall für viele eine kalte Dusche gewesen war. Erst recht, nachdem in Frankreich eine Namensliste der in Spanien
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