10 - Operation Rainbow
fest, daß es einen Polizisten weniger gab auf der Welt - für den irischen Terroristen war das kein großer Verlust.
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»Was geht da vor?« Es war der hilfsbereite Streifenpolizist, nicht Popov, der die rhetorische Frage stellte - rhetorisch, weil das unverwechselbare Geratter einer Automatikwaffe nichts Gutes ahnen ließ. Der Polizist wandte sich um, sah den Wagen seines Kollegen - ein Doppelgänger seines eigenen - mit aufheulendem Motor rückwärts setzen und plötzlich stoppen. Dann ging ein Bewaffneter hin, warf einen Blick hinein und verschwand wieder. »Hol's der Teufel!«
Dmitrij Arkadejewitsch blieb ruhig sitzen und sah im Rückspiegel seinen ungebetenen Freund und Helfer zum Wagen rennen und das Funkmikrophon hervorzerren. Was der Polizist an die Zentrale durchgab, war nicht zu hören, aber andererseits brauchte er es auch nicht zu wissen.
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»Wir haben sie, Sean«, meldete O'Neil über Handy. Grady bestätigte die Information, drückte die Aus-Taste und dann die Schnellwahl zu Peter Barrys Mobiltelefon.
»Ja?«
»Timothy ist soweit. Wir haben die Lage offenbar unter Kontrolle.«
»Okay.« Damit war auch dieser Anruf beendet. Aber Sean tippte noch eine weitere Rufnummer ein.
»Hallo? Hier Patrick Casey. Wir haben das Hereford-Gemeindekrankenhaus besetzt und Geiseln in unserer Gewalt: Dr. Chavez, Schwester Clark sowie zahlreiche weitere Pfleger. Die Patienten nicht zu vergessen. Wir lassen die Geiseln frei, sobald unsere Forderungen erfüllt sind. Werden sie nicht erfüllt, sind wir gezwungen, die Geiseln nacheinander zu töten, bis Sie Ihren Irrtum einsehen. Wir fordern die Freilassung sämtlicher politischer Häftlinge, die in den Gefängnissen von Albany und Parkhurst auf der Isle of Wight einsitzen. Wenn die Freilassung erfolgt ist, wovon wir uns im Fernsehen überzeugen werden, verlassen wir die Gegend. Haben Sie verstanden?«
»Ich verstehe«, gab der diensthabende Sergeant zurück. Gar nichts hatte er verstanden, aber der Anruf war mitgeschnitten worden, und er würde die Informationen weitergeben an Leute, die mehr davon verstehen.
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Carr betrat das Gebäude durch die Notaufnahme; die Barry-Zwillinge, Peter und Sam, kamen durch den Haupteingang in die Halle. Carrs Gewehrschüsse waren laut und deutlich zu hören gewesen. Die meisten hatten sich nach dem Lärm umgedreht, und als sie nichts erkennen konnten, wieder ihrer Arbeit zugewandt. Der Sicherheitsbeamte der Klinik, ein Mann von fünfundfünfzig Jahren, der eine polizeiähnliche Uniform trug, eilte jedoch zum Eingang des Krankenhausbereichs, wo ihm die Zwillinge mit Gewehren in der Hand den Weg verstellten. »Was geht hier vor...?« brachte der pensionierte Polizist noch heraus, die übliche Formel eines alarmie rten Wachbeamten, bevor ihn ein Stoß mit der Gewehrmündung zwang, den Mund zu halten und die Arme zu heben. Sam packte ihn beim Kragen und schob ihn in die Halle zurück. Dort starrten die Anwesenden ungläubig auf die Waffen der Angreifer. Einige kreischten auf. Nur wenige konnten sich zur Tür retten und schafften es auch nach draußen, ohne daß auf sie geschossen wurde, denn die Gebrüder Barry hatten bereits alle Hände voll zu tun.
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Der Funkspruch des Streifenpolizisten am Straßenrand löste heftigere Reaktionen aus als Gradys Anruf, vor allem, als man erfuhr, daß ein Kollege vermutlich in seinem Wagen erschossen worden war. Die erste Reaktion des Polizeichefs war, alle Streifenwagen zum Krankenhaus zu beordern. Doch nur die Hälfte von seinen Leuten waren mit Schußwaffen ausgerüstet, meist Smith&Wesson-Revolver, die noch dazu gegen Maschinenpistolen, von deren Gebrauch die Rede war, nicht viel ausrichten konnten. Der Tod des Polizisten bestätigte sich, als aus seinem Streifenwagen trotz zahlreicher Aufforderungen über Polizeifunk keine Antwort kam.
Jedes Polizeirevier der Welt hat bestimmte vorgegebene Einsatzpläne für die unterschiedlichsten Katastrophenfälle. Dieser hier war in einer Akte abgeheftet mit der Aufschrift »Terrorismus«, und der Polizeichef zog sie hervor, obwohl er den Inhalt auswendig kannte. Aber er wollte nichts falsch machen. Über eine Notrufnummer erreichte er das Home Office in London und berichtete seinen Vorgesetzten das wenige, was er bis jetzt wußte. Dann fügte er noch hinzu, daß er sich wieder melden wolle, sobald die Lage klarer sei.
In der Zentrale des Home Office, unweit vom Buckingham Palace, arbeiteten jene Behörden, die für fast jeden
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