10 - Operation Rainbow
bestiegen und sich auf den langersehnten Anschlag vorbereiteten.
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Um 10.30 Uhr vormittags begaben sich Chavez und sein Team ins Schützenhaus, um das Schießen in geschlossener Umgebung zu üben. Dave Woods wartete schon und hatte die Munitionskisten für jeden einzelnen bereitgestellt. Wie tags zuvor entschied sich Chavez für seine Pistole anstatt für die relativ einfach zu handhabende MP-10, mit der jeder, der zwei gesunde Augen und einen funktionierenden Zeigefinger hatte, problemlos schießen konnte. Deshalb gab er seine 10mm-Patronen zurück und tauschte sie gegen zwei Kisten .45er ACP Premium-Munition amerikanischer Behördenfertigung, Marke »Hydra-Schock«, mit einem Hohlmantel, in dem man Drinks hätte mixen können - jedenfalls schien es auf den ersten Blick so.
Team-2 hatte gerade begonnen, als Oberst Malloy und seine Flugcrew, Leutnant Harrison und Sergeant Nance, hereinspaziert kamen. Sie trugen Berettas M-9, die Standardwaffe der US-Armeeangehörigen, die mit 9mm-Vollmantelgeschossen feuerten - den Anforderungen der Haager Konvention entsprechend. Zwar hatten die Amerikaner den internationalen Vertrag über Kriegsrecht, der vorschrieb, was auf dem Schlachtfeld erlaubt war und was nicht, nie unterzeichnet, aber auch Amerika hielt sich an gewisse Regeln. Die Angehörigen der Elitetruppe Rainbow benutzten abweichende, wirksamere Munition, weil sie prinzipiell nicht auf dem Schlachtfeld kämpften, sondern Kriminellen das Handwerk legten, denen nicht das gleiche militärische Ethos zugestanden wurde wie einem wohlorganisierten und uniformierten Feind. Wer sich diese Erklärung einmal gründlich durchdachte, konnte sie nur für leicht übergeschnappt halten, doch logische, leicht verstehbare Grundsätze reichten nicht aus, der Welt zu erklären, weshalb sie nicht mit den vorgeschriebenen Kugeln schössen. Im Fall der Rainbow-Kämpfer waren es über hundert Kugeln am Tag. Malloy und seine Crew verschossen vielleicht fünfzig die Woche, aber sie wurden ja auch nicht als Schützen eingesetzt, und ihre Teilnahme hier war mehr ein Höflichkeitsbesuch. Zufällig war Malloy allerdings ein exzellenter Schütze, obwohl er die Pistole einhändig abfeuerte, wie man es früher bei der US-Armee lernte. Harrison und Nance gingen in die modernere Weaver-Stellung: Beine gespreizt, die Waffe mit beiden Händen umklammernd. Malloy vermißte auch die .45er, die in seiner Jugend gebräuchlich war, doch hatten die Amerikaner sich zum kleineren Format durchgerungen, um die NATO-Länder zufriedenzustellen, auch wenn es viel kleinere Schußwunden bei denen hinterließ, die man töten wollte.
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Das Mädchen hieß Fiona. Sie stand kurz vor ihrem fünften Geburtstag und war im Kindergarten von der Schaukel gefallen. Das Holzbrett hatte ihr die Haut aufgeschürft, aber man füchtete auch, daß der linke Unterarm gebrochen war. Sandy Clark hielt das Ärmchen gestreckt, während sie das heulende Kind tröstete. Sehr langsam und sehr vorsichtig ertastete sie die Verletzung, aber das Geschrei wurde nicht lauter. Hier war es also nicht gebrochen... naja, ganz leicht angeknackst vielleicht, aber möglicherweise nicht einmal das.
»Wir sollten sie röntgen«, empfahl Patsy und gab der Kleinen einen Lutscher. Das klappte in England so gut wie in Amerika. Die Tränen versiegten auf der Stelle, als sie mit der Hand des gesunden Arms die Plastikfolie aufriß und den Lutscher zwischen die blassen Lippen steckte. Sandy nahm feuchte Gaze und reinigte die Schürfwunden. Genäht werden mußte nichts, Gott sei Dank, nur ein paar häßliche Kratzer, die sie antiseptisch behandelte und mit zwei großen Pflastern versah.
Hier war viel weniger los in der Ambulanz, als sie es aus Amerika kannte. Das lag vor allem daran, daß sie auf dem Land waren, wo kaum größere Unfälle vorkamen. Letzte Woche war ein Bauer eingeliefert worden, der sich den Arm an seiner Forke aufgerissen hatte, aber da hatten Sandy und Patsy gerade ihre Freischicht. Außerdem gab es weniger Verkehrsunfälle als in vergleichbaren Gebieten der USA, weil die Briten trotz ihrer engen Straßen und weniger strengen Tempolimits offenbar vorsichtiger fuhren als die Amerikaner. Alles in allem ging es in ihren Jobs hierzulande viel ruhiger zu. Nach amerikanischen Standards war das Krankenhaus - zu ihrer Überraschung - personell überbesetzt, was die Anforderangen an jeden einzelnen auf ein vernünftiges Maß herunterschraubte. Wenige Minuten später studierte Patsy die
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