10 - Operation Rainbow
sie ihn wie ein Tier im Käfig besuchten, ließ ihn erschauern... Aber er hatte mit dieser Möglichkeit seit Jahren rechnen müssen, und obwohl ihm das Bild vom Heldentod im Kugelhagel, mit der Waffe in der Hand auf die Volksfeinde schießend, lieber war, wußte er, daß der amerikanische Arzt die Wahrheit gesagt hatte. Sechs englische Zivilisten abzuknallen brachte keinen Heldenruhm. Keine Lieder würden über ihn gedichtet und gesungen werden, keine Gläser auf sein Andenken gehoben in den Pubs von Ulster... Was ihm blieb, war, ruhmlos zu sterben, und das Leben, ob hinter Gittern oder nicht, war diesem Tod vorzuziehen.
Timothy Dennis O'Neil wandte sich seinen PIRA-Genossen zu und sah den gleichen Ausdruck in ihren Mienen, den er selbst zeigte. Ohne sich abzusprechen, nickten sie. O'Neil sicherte sein Gewehr und setzte es am Boden ab. Die anderen taten es ihm nach.
Bellow wanderte hinüber, um ihnen die Hand zu schütteln.
»Six an Vega«, befahl Clark, der die Szene auf dem kleinen Schwarz-Weiß-Monitor verfolgte, »geht jetzt rüber!«
Julio Vega war mit einem Satz um die Ecke, die MP-10 mit beiden Händen hochziehend. Da standen sie mit dem Doc zusammen. Tomlinson und Bates stießen sie nicht allzu roh an die Wand. Ersterer hielt das Gewehr im Anschlag, während der andere die Gefangenen abklopfte. Sekunden später kamen zwei uniformierte Polizisten mit Handschellen und lasen ihnen - zur Verwunderung der Soldaten - ihre Rechte vor. Und so einfach und still ging der Kampf dieses Tages zu Ende.
29 - ATEMPAUSE
Für Dr. Bellow war der Tag noch nicht zu Ende. Gerade mal ein Glas Wasser konnte er trinken, um die trockene Kehle zu befeuchten, dann bestieg er schon den grünbemalten britischen Armeelaster, der ihn nach Hereford bringen sollte. Für diejenigen, die zurückblieben, war auch noch nicht alles gelaufen.
***
»Hallo, Schatz!« seufzte Ding. Endlich hatte er seine Frau vor dem Krankenhaus wiedergefunden,- umringt von einer SAS-Leibwache.
Patsy rannte ihm die zehn Treppenstufen entgegen und umarmte ihn so heftig, wie ihr schwangerer Bauch es zuließ.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte, mit Tränen in den Augen. »Und du?«
»Mir geht's gut. Es war hier ziemlich aufregend vorhin - und ein paar unserer Leute mußten dran glauben. Aber jetzt ist alles unter Kontrolle.«
»Einer von ihnen - jemand hat ihn erschossen, und...«
»Ich weiß. Er zielte mit dem Gewehr auf dich, damit hatte er sein eigenes Todesurteil unterschrieben.« Chavez merkte sich vor, Sergeant Tomlinson als Dank für seinen erstklassigen Schuß ein Bier auszugeben. Eigentlich war er ihm weit mehr schuldig. Doch in der Kriegergemeinschaft war das die Währung, mit der Schulden beglichen wurden. Doch fürs erste wollte er seine Patsy im Arm halten und an nichts anderes denken. Tränen traten ihm in die Augen. Ding schluckte sie hinunter. Tränen widersprachen seinem Selbstbild als harter Mann. Er fragte sich, wie seine Frau diesen Tag verkraften würde. Sie war Ärztin, vom Töten verstand sie nichts, und doch hatte sie das Töten aus nächster Nähe gesehen. Diese Schweine von der IRA, dachte er. Sie waren in sein Leben eingedrungen, hatten Zivilisten angegriffen und einige seiner besten Kumpel getötet. Aber irgend jemand mußte sie mit Informationen versorgt haben. Irgendwo gab es eine undichte Stelle, die ihnen übelwollte. Das herauszufinden hatte jetzt absoluten Vorrang.
»Wie geht's unserem Kleinen?« fragte Chavez seine Frau.
»Fühlt sich gut an, Ding. Wirklich. Da drin ist alles in Ordnung«, versicherte ihm Patsy.
»Na schön, Schatz. Ich hab noch viel zu tun. Du mußt nach Hause!« Er deutete auf einen der SAS-Männer und winkte ihn heran. »Bringen Sie bitte meine Frau in die Kaserne zurück, okay?«
»Jawohl, Sir«, erwiderte der Sergeant. Gemeinsam schlenderten sie zum Parkplatz. Dort stand auch Sandy Clark, neben John, und auch sie umarmten und drückten sich. Das Vernünftigste war wohl, die beiden Frauen ins Haus der Clarks zu bringen. Kurze Zeit später wurden Mutter und Tochter unter dem Schutz einer Polizeieskorte nach Hause gefahren.
»Wohin jetzt, Mr. C?« fragte Chavez.
»Unsere irischen Freunde sind schon im Militärkrankenhaus. Paul hat sich auch dorthin auf den Weg gemacht. Er will Grady - den Anführer - verhören, wenn er aus der Narkose erwacht. Ich glaube, wir sollten dabei sein.«
»Einverstanden, John. Dann mal los!«
***
Popov war schon fast in London und hörte
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