10 - Operation Rainbow
Radionachrichten. Irgendein Pressesprecher, der zuviel wußte und den Mund nicht halten konnte, mußte die Medien informiert haben. Dann kam die Meldung, der Anführer des IRA-Kommandos sei lebend gefangen worden, und Dmitrij lief es eiskalt den Rücken runter. Wenn sie Grady hatten, den Mann, der ihn kannte, wußten sie alles - seinen Decknamen, den Geldtransfer, und überhaupt viel zu viel. Das war noch kein Grund zur Panik, aber er mußte rasch handeln.
Popov warf einen Blick auf die Uhr. Die Banken hatten noch nicht geschlossen. Er nahm sein Handy und rief in Bern an. Innerhalb von einer Minute hatte er den zuständigen Bankangestellten dran, dem er die Kontonummer durchsagte. Am anderen Ende wurde sie im Computer aufgerufen. Popov gab Losungswort und Transfernummer durch und ordnete an, das Konto aufzulösen und die Summe auf seins zu überweisen. Der Mann in Bern fand es nicht im mindesten bedauerlich, wenn soviel Geld anderswohin floß; sein Haus hatte noch jede Menge solch großer Depots. Der Russe war jetzt um fünf Millionen reicher, doch würden seine Gegner bald über Decknamen und Personenbeschreibung verfügen. Er mußte so schnell wie möglich außer Landes. Popov nahm die Ausfahrt Heathrow und fuhr bis Terminal 4. Zehn Minuten später hatte er den Mietwagen bei der dortigen Filiale abgegeben und sich das letzte Erste-Klasse-Ticket auf einem British-Airways-Flug nach Chicago verschafft. Er mußte laufen, um die Maschine noch zu bekommen, aber er schaffte es gerade noch an Bord, wo ihn die bildhübsche Stewardeß zu seinem Platz führte. Kurz darauf startete die 747er zu ihrem Atlantikflug.
***
»Das ging ja alles ziemlich durcheinander«, bemerkte John Brightling und stellte seinen Büro-Fernseher leiser. Die Ereignisse von Hereford waren auf allen Sendern die Hauptnachricht des Tages.
»Sie hatten eben Pech«, gab Henriksen zurück. »Die Terrorkommandos sind hervorragend und nutzen jede Schwäche des Gegners. Ach, was soll's - vier oder fünf hat's immerhin erwischt. Niemand ist bisher gegen eine solche Streitmacht angetreten.«
Brightling wußte, daß Bill die Aktion mit gemischten Gefühlen verfolgte. Er konnte seine Sympathie für die Leute nicht verhehlen, die anzugreifen er mitgeholfen hatte. »Kann es für uns brenzlig werden?«
»Wenn sie den Anführer lebend haben, werden sie ihn natürlich ausquetschen. Aber die IRA-Leute singen nicht. Soviel ich weiß, singen sie nie. Und die einzige Spur, die zu uns herüberführt, wäre Dmitrij, und der ist ein Profi. Wie ich den kenne, dürfte er längst Leine gezogen haben und sitzt wahrscheinlich schon im Flugzeug außer Landes. Er hat jede Menge falscher Papiere, Kreditkarten, Personalausweise. Also ist er wohl in Sicherheit, John. Der KGB wußte seine Leute für den Ernstfall zu trainieren, glaub mir!«
»Wenn sie ihn anzapfen - wird er reden?« fragte Brightling.
»Das wäre ein Risiko. Ja, es mag sein, daß er dann auspackt«, mußte Henriksen zugeben. »Im Fall seiner Rückkehr werd ich ihm klarmachen, was ihm blüht, wenn...«
»Wäre es eine gute Idee, ihn... hm... aus dem Verkehr zu ziehen?«
Der Gedanke war dem Chef peinlich, merkte Henriksen, und er setzte zu einer vorsichtigen, aber ehrlichen Antwort an. »Im Grunde genommen ja. Aber auch das wäre nicht ganz unbedenklich, John. Der hat bestimmt irgendwo ein Postfach... ...« Als Brightling verständnislos die Brauen hob, erläuterte er: »Man sichert sich ab gegen das Risiko, umgebracht zu werden, indem man alles aufschreibt und an sicherem Ort hinterlegt. Wenn man sich dann nicht jeden Monat dort meldet, wird das Postfach geleert, will sagen, die Informationen nach einem vorbestimmten Plan an die Leute verteilt. Für so etwas hat man einen Anwalt. Diese Gefahr dürfen wir nicht unterschätzen, oder? Tot oder lebendig, er kann uns in jedem Fall schaden. Und in diesem Fall wäre ein Toter bedrohlicher, finde ich.« Henriksen hielt einen Augenblick inne. »Nein - wir brauchen ihn lebend, und unter unserer Kontrolle, John.«
»Einverstanden. Bitte kümmere dich um ihn, Bill.« Brightling lehnte sich in seinem Sessel zurück. Sie waren schon zu nah dran, um unnötige Risiken einzugehen. Mit dem Russen konnten sie noch fertigwerden, ihn ruhigstellen. Wer weiß, vielleicht rettete es ihm sogar das Leben - wenn er es recht bedachte, würde er doch überleben, oder? Hoffentlich wußte Popov das zu schätzen. Die Rainbow-Truppe war jetzt außer Gefecht gesetzt, oder zumindest
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