10 - Operation Rainbow
Sessel zurück. »Du meinst also, wir brauchten uns nicht aufzuregen?«
»Doch. Schon«, nickte Henriksen kurzentschlossen. »Hört mal, selbst wenn alle Stricke reißen, sind wir hier sicher, nicht wahr? Wir entwickeln einfach B-Serum statt der A-Variante und gelten fortan als Wohltäter der Menschheit. Die Spur der Vermißten kann niemand bis zu uns verfolgen, es sei denn, jemand dreht durch und verplappert sich. Aber auch damit werden wir fertig. Es gibt keinerlei Beweise dafür, daß wir uns irgendwas haben zuschulden kommen lassen - wenigstens keine, die wir nicht binnen weniger Minuten restlos zunichte machen könnten, oder?«
Diesen Aspekt ihres Vorhabens hatten sie gründlich durchdacht. Sämtliche Shiva-Virusbehälter waren hier und in Binghamton so untergebracht, daß es keine zwei Minuten Fußweg zum Brennofen waren. Die Leichen der Versuchspersonen waren längst Asche im Wind. Es gab einige Eingeweihte, die von dem Geschehen wußten, doch zur Polizei zu gehen hätte geheißen, sich selbst der Mittäterschaft an einem Massenmord zu bezichtigen. Und für jeden standen Anwälte bereit, die sie vor möglichen Befragungen abschirmen würden. Trotzdem lagen einige schwierige Wochen vor ihnen, aber das war unvermeidlich.
»Gut.« John Brightling wandte sich zu seiner Frau um. Für diesen Augenblick hatten sie hart arbeiten müssen, zu hart und zu lange, um in letzter Sekunde alles aufzugeben. Sie hatten ihre Trennung erduldet, viel Zeit und riesige Geldsummen investiert, der Natur zuliebe, die sie beide verehrten. Nein, es gab kein Zurück mehr. Und wenn der Russe auspackte - vor wem, konnte man nur spekulieren - selbst dann konnten auch diejenigen das Projekt nicht mehr rechtzeitig aufhalten, denen er es verriet. Das war ausgeschlossen. Der Wissenschaftler und Ehemann bedachte seine Frau, ebenfalls Wissenschaftlerin, mit liebevollen Blicken. Dann wandten sie sich dem Sicherheitsbeauftragten zu.
»Sag Gearing, es kann losgehen, Bill.«
»Okay, John.« Henriksen erhob sich und kehrte in sein Büro zurück.
***
»Keine besonderen Vorkommnisse«, bestätigte Oberst Gearing am Telefon.
»Dann ist ja alles klar. Sie können loslegen wie geplant. Und rufen Sie an, wenn das Teufelszeug pünktlich verteilt ist.«
»Alles klar.« Wil Gearing grinste. »Soll ich sonst noch was machen? Ich hab nämlich auch noch was vor, müssen Sie wissen.«
»Und das wäre?« fragte Henriksen argwöhnisch.
»Ich fliege morgen in den Norden und geh ein paar Tage am Great Barrier Reef tauchen.«
»Ach so! Dann passen Sie mal auf, daß Sie nicht von den Haien geschluckt werden.«
»Mach ich!« kam es lachend zurück, und der andere legte auf.
Das wär's , dachte Bill Henriksen. Damit ist die Sache besiegelt . Auf Gearing konnte er sich hundertprozentig verlassen, soviel stand fest. Nachdem er ein Leben lang Gift in der Umwelt verstreut hatte, war er zu ihnen gekommen und kannte natürlich auch die anderen Vorhaben des Projekts. Wenn er sie irgendwo verpfiffen hätte, wären sie nie so weit gekommen. Wohler wäre ihm allerdings gewesen, wenn sich der Russe nicht verdünnisiert hätte, aber was sollte man machen? Der Polizei den Mord an Hunnicutt melden und ihnen Popov/Seroff als mutmaßlichen Mörder aufschwatzen? Lohnte das den Aufwand? Wo lagen die möglichen Nachteile? Popov konnte natürlich auspacken, sagen, was er wußte - wie wenig oder wieviel es auch sein mochte. Aber wie würde ihn die Polente einschätzen? Als ehemaliger KGB-Spion, der sich merkwürdig verhielt, bei Horizon Corporation gejobbt hatte - aber, Herrgottnochmal, Terroranschläge in Europa ausgeheckt? Bleiben wir doch bitte bei der Sache! Dieser Knabe ist ein Mörder mit blühender Phantasie, versucht uns eine Story aufzutischen, die ihn von einem heimtückischen Mord entlastet, den er hier, mitten in Kansas, begangen hat... Ob er damit durchkam? Eher nicht, dachte Henriksen. Sie würden den Bastard erstmal aus dem Verkehr ziehen. Behaupten konnte er viel, aber konnte er ihnen stichhaltige Beweise liefern? Nicht einen einzigen.
***
Popov goß sich einen Drink ein. Das FBI war so nett gewesen, ihm in der nahegelegenen Destille eine Flasche Wodka zu besorgen. Er hatte vier Gläser intus und sah bereits optimistischer in die Zukunft.
»Da sitzen wir nun und warten ab, John Clark.«
»Ja - warten wir's ab«, nickte Rainbow Six.
»Wollten Sie mich nicht was fragen?«
»Weshalb haben Sie mich angerufen?«
»Wir sind uns schon einmal
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