10 - Operation Rainbow
Schreibtischs lag ein Alarmknopf. Den drückte er fest und lange, während er die Besucher ausdruckslos anstarrte. Die Leitung war mit der Alarmanlage unten im Schloß verbunden, und von dort mit der Zentrale der Gebäudesicherungsfirma. Deren Mitarbeiter reagierten auf den Summer und das Blinklicht und verständigten auf der Stelle die Staatspolizei. Eine Dame rief im Schloß an, um nachzuhören, was los war.
»Darf ich drangehen?« fragte Dengler die Frau, die er für die Bandenführerin hielt. Petra nickte, und er hob den Hörer ab.
»Büro Ostermann?«
»Hier spricht Traudl«, meldete sich die Angestellte der Gebäudesicherung.
»Guten Tag, Traudl. Hier Gerhardt«, gab der Assistent zurück. »Rufen Sie wegen der Pferde an?« Mit diesem Satz, einem vereinbarten Codewort, wurde ernsthafte Gefahr signalisiert.
»Ja. Wann ist es denn so weit mit dem Fohlen?« fragte sie, um den Mann am anderen Ende zu schützen, falls jemand mithörte.
»Ein paar Wochen braucht es noch. Wir rufen Sie an, wenn's so weit ist«, versetzte er gleichgültig und sah Petras Pistolenmündung vor sich.
»Freut mich, Gerhardt. Danke und auf Wiederhören!« Damit hängte sie auf und gab dem Wachdienst ein Zeichen.
»Es war wegen der Pferde«, erklärte er Petra. »Bei uns ist eine Stute trächtig, und...«
»Maul halten!« herrschte ihn Petra an, während Hans vor der Doppeltür in Ostermanns Büro stehenblieb. So weit, so gut, dachte sie. Bisher war alles glatt gegangen. Ostermann saß da drin, hinter seiner Doppeltür, und ging in aller Ruhe seiner Tätigkeit nach, nicht ahnend, daß sie dem ein Ende machen würden. Wurde ja auch Zeit. Sie wandte sich dem Assistenten zu. »Ihr Name?«
»Dengler«, beeilte er sich zu sagen, »Gerhardt Dengler.«
»Begleiten Sie uns hinein, Herr Dengler«, befahl sie mit schriller Stimme.
Gerhardt erhob sich hinter seinem Schreibtisch und ging langsam auf die Tür zu, gesenkten Haupts und mit eckigen, roboterhaften Bewegungen, als hätte er Knie aus Eisen. Wie ein Mensch, der bedroht wird; Dortmund und Fürchtner kannten das. Der Sekretär drehte den Türknauf und öffnete.
Der Schreibtisch in Ostermanns Büro war riesig und vergoldet wie das gesamte Mobiliar hier und stand auf einem weichen, roten Wollteppich. Erwin Ostermann wandte ihnen den Rücken zu und studierte eine Bilanztabelle.
»Herr Ostermann?« ließ sich Dengler vernehmen.
»Ja, Gerhardt?« brummte der Angesprochene gleichmütig, und als keine Antwort kam, wandte er sich im Drehstuhl um...
»Was soll das?« entfuhr es ihm. Er riß die Augen weit auf, und noch weiter, als er die Schußwaffen sah. »Wer zum...?«
»Kommandanten der Roten Arbeiter-Fraktion«, gab Fürchtner zurück. »Betrachten Sie sich als Gefangenen.«
»Aber-wie...«
»Sie und wir machen zusammen einen kleinen Ausflug.
Wenn Sie sich ruhig verhalten, geschieht Ihnen nichts. Wenn nicht, werden Sie mitsamt den anderen umgebracht. Ist das klar?« fragte Petra. Sie zielte mit der Pistole auf Denglers Schläfe, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
Ostermann drehte den Kopf herum, nach rechts und links, als suchte er irgendwo Hilfe, die jedoch ausblieb. Dann kehrte sein Blick zu Hans und Petra zurück; seine Miene spiegelte Schrecken und Verständnislosigkeit. Das konnte doch nicht passiert sein. Nicht ihm , nicht hier , nicht in seinem eigenen Büro . Als nächstes wollte er nicht wahrhaben, was sich vor seinen Augen abspielte. Und dann, ganz am Schluß, kam die Angst. Es dauerte fünf oder sechs Sekunden und war jedesmal dasselbe. Petra Dortmund kannte diesen Anblick und hatte ganz vergessen, welche Genugtuung er bereitete. Ostermann ballte die Hand auf der ledernen Schreibunterlage zur Faust, dann entspannte er sich wieder, als er sich über seine völlige Ohnmacht klar wurde. Bald würde das Zittern anfangen, je nachdem, wieviel Mut er aufbrachte. Mit Gegenwehr brauchte Petra nicht zu rechnen. Er wirkte groß, selbst im Sitzen, schlank, fast königlich in seinem weißen Hemd mit gestärktem Kragen und gestreifter Krawatte. Der Anzug war sichtlich teuer gewesen, italienische Seide, wahrscheinlich maßgeschneidert. Unter dem Schreibtisch die handgefertigten Schuhe, täglich vom Diener geputzt. Hinter ihm sah sie Zahlenkolonnen über Bildschirme wandern - Herr Ostermann saß im Zentrum seines Spinnennetzes, noch vor einer knappen Minute war er guter Dinge gewesen, Herr seines Schicksals, unbesiegbar, hatte Geld rings um die Welt verschoben und sein
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