10 - Operation Rainbow
Privatvermögen vermehrt. Damit war es vorbei, vielleicht für immer, obwohl ihm Petra dies erst in der allerletzten Sekunde offenbaren würde. Zu gern wollte sie sich am Ausdruck des Entsetzens und des Schocks in dieser vornehmen Miene weiden, bevor die Augen starr und blicklos wurden.
Sie hatte vergessen, wie gut ihr das tat, dieses reinste Vergnügen an der Macht, die sie in den Händen hielt. Wie hatte sie es so lange aushalten können, ohne davon zu kosten?
***
Der erste Streifenwagen, der am Tatort erschien, war nur fünf Kilometer entfernt gewesen, als der Funkspruch kam. Er wendete und raste zum Schloß, wo er drei Minuten später, fast unsichtbar, hinter einem Baum parkte.
»Ich sehe einen Mercedes und einen Lieferwagen«, teilte der Beamte der Zentrale mit. »Keine Bewegung. Im Moment ist nichts zu erkennen.«
»Ausgezeichnet«, gab der Hauptwachtmeister zurück. »Unternehmen Sie vorerst nichts und melden Sie sich, wenn sich etwas tut. Ich bin in ein paar Minuten da.«
»Verstanden. Ende.«
Der Hauptwachtmeister stellte das Mikrophon zurück. Er war bereits unterwegs, allein in seinem Audi. Er hatte Ostermann einmal kennengelernt, bei irgendeinem offiziellen Bankett in Wien. Nur Händeschütteln und ein paar Worte gewechselt. Aber er wußte, wie der Mann aussah, und kannte seinen Ruf als wohlhabender, verantwortungsvoller Mitbürger, der die Staatsoper finanziell unterstützte - und auch die Kinderklinik. Das war ja auch der Grund für jenes Bankett gewesen. Ostermann war Witwer, hatte seine Frau vor fünf Jahren verloren - Gebärmutterkrebs. Er lebte wie ein Angehöriger des Hochadels, kam aber aus kleinen Verhältnissen. War sein Vater nicht Ingenieur gewesen? Beziehungsweise Lokomotivführer bei der staatlichen Eisenbahn? Genau, so war es. Und einige dieser alten Adelsfamilien blickten auf den Emporkömmling herab; kein Wunder, daß er sich durch Wohltätigkeit und Opernbesuche Respekt verschaffen wollte. Trotz seines Luxus lebte er eigentlich bescheiden. Er liebte den Prunk nur, um andere zu unterhalten. Ein bescheidener, liebenswürdiger Mann, übrigens sehr intelligent, wie es hieß. Und jetzt waren Gangster in sein Haus eingedrungen, hatte der Sicherheitsdienst gemeldet. Hauptwachtmeister Willi Altmark nahm die letzte Kurve, und das Schloß kam in Sicht. Oft hatte er es im Vorüberfahren betrachtet; jetzt mußte er sich an die Ausmaße erinnern. Das riesige Hauptgebäude - zwischen ihm und den ersten Bäumen lag eine breite Rasenfläche. Ungünstig - ein verdecktes Anpirschen war extrem schwierig. Er parkte dicht neben dem Streifenwagen und holte das Fernglas aus dem Handschuhfach.
»Gut, daß Sie da sind, Chef«, grüßte der Beamte.
»Irgendwas zu sehen?«
»Nichts rührt sich. Nicht einmal ein Vorhang.«
Hauptwachtmeister Altmark setzte das Fernglas an und ließ den Blick schweifen. Dann hob er das Funkmikrofon und befahl allen Kollegen unterwegs, sich möglichst unauffällig anzunähern, um die Gangster nicht vorzuwarnen. Schließlich empfing er einen Anruf seines Vorgesetzten, der sich nach seiner Einschätzung der Lage erkundigte.
»Mag sein, daß es ein Fall für's Militär ist«, gab Altmark zurück. »Im Augenblick wissen wir noch nichts. Ich kann einen PKW und einen Lieferwagen erkennen, sonst nichts. Kein Gärtner draußen. Niemand. Aber ich sehe nur auf zwei Mauern und nicht hinter das Hauptgebäude. Ich lasse es umstellen, sobald die Verstärkung eintrifft.«
»Einverstanden. - Aber sorgen Sie dafür, daß uns niemand sieht«, riet der Polizeichef überflüssigerweise.
»Versteht sich von selbst.«
***
Drinnen war Ostermann noch immer nicht aufgestanden. Er schloß für einen Moment die Augen und dankte Gott, daß Ursel mit dem Privatjet in London war, wo sie einkaufen und lenglische Freunde treffen wollte. Er wollte morgen nachkommen; jetzt stellte sich die Frage, ob er sie jemals wiedersehen würde. Zweimal war er von österreichischen und englischen Sicherheitsdiensten heimgesucht worden. Beide Vertreter hielten ihm Vorträge, wie gefährlich es war, seinen Reichtum so offen zu zeigen, während er mit einer bescheidenen Summe, für weniger als 500 000 Pfund im Jahr, sein Sicherheitsrisiko auf ein Minimum reduzieren konnte. Der Brite hatte erklärt, seine Leute seien Veteranen des SAS; die österreichische Firma rekrutierte aus Deutschland ehemalige Angehörige der GSG-9. Doch er hatte nicht eingesehen, wozu er waffenstarrende Soldaten brauchte, die müßig
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