10 - Operation Rainbow
nahmen die Gewehrkoffer unter den Arm und begaben sich dorthin, wo die Polizei ihre Streifenwagen postiert hatte.
»Haben wir Blueprints vom Haus?« wollte Chavez von Altmark wissen.
»Blueprints?« wunderte sich der österreichische Polizist.
»Grundriß. Einen Lageplan!« erläuterte Ding.
»Ach so! Ja, hier.« Altmark führte ihn zu seinem Wagen. Auf der Motorhaube lag eine auseinandergefaltete Karte. »Wie Sie sehen, gibt es sechsund vierzig Räumlichkeiten, Kellergeschosse nicht eingerechnet.«
»Um Himmels willen!« entfuhr es Chavez. »Mehr als ein Kellergeschoß?«
»Drei! Zwei unter dem Westflügel - Weinkeller und Lagerraum. Der Keller im Ostflügel wird nicht benutzt. Zugänge könnten verriegelt sein. Das Haupthaus hat kein Kellergewölbe. Das Schloß wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Außenwände und einige tragende Wände im Innern sind massiv.«
»Das ist ja 'ne verdammte Festung«, fluchte Ding.
»Was glauben Sie, wozu Schlösser gut sind, Major!« grinste Altmark.
»Doc?«
Bellow wandte sich um. »Altmarks Bericht zufolge haben sie sich bisher sachlichgeschäftsmäßig aufgeführt. Keine hysterischen Drohungen. Für die Bereitstellung der Maschine haben sie Mitternacht als äußerste Frist gesetzt, danach wollen sie die ersten Geiseln töten. Hochdeutsch sprechen sie. Heißt das, sie stammen aus Deutschland, Hauptwachtmeister?«
Altmark nickte. »Genau. Österreicher sind es jedenfalls nicht. Wir haben nur von einem den Namen, Wolfgang - das ist bei uns ein Taufname, normalerweise kein Nachname. Unter diesem Namen oder Decknamen ist kein Terrorist zur Fahndung ausgeschrieben. Außerdem behauptet er, der Roten Arbeiter-Fraktion anzugehören, aber auch von einer solchen Gruppe ist uns nichts bekannt.«
»Uns auch nicht«, gab Chavez zurück. »Viel ist das nicht, Bellow, oder?«
»Genaugenommen nichts«, fuhr der Psychiater fort, »doch einige Schlüsse lassen sich daraus ziehen. Wir wissen, was sie wollen: diesen Coup lebend überstehen. Wir wissen, daß sie ernstzunehmende Verhandlungspartner sind. Wenn sie uns irgendwas androhen, werden sie's gegebenenfalls durchführen. Bisher wurde niemand getötet, und auch das war äußerst umsichtig von ihnen. Und bis jetzt keine weiteren Forderungen. Das wird sich ändern, vielleicht bald ...«
»Sind Sie sicher?« fragte Altmark. Auch ihn hatte es verwundert, daß die Erpresser nicht mehr zu fordern schienen.
»Nach Einbruch der Dunkelheit werden sie gesprächiger werden. Merken Sie, daß noch nirgends Licht brennt im Gebäude?«
»Stimmt. Und was soll das heißen?«
»Das heißt, daß sie die Nacht als natürlichen Verbündeten betrachten. Auch wegen der Frist. Wenn es dunkelt, ist Mitternacht nicht mehr weit.«
»Wir haben Vollmond«, wandte Price ein.
»Wohl wahr.« Mißmutig starrte Ding in den Himmel. »Haben Sie Flutlicht-Scheinwerfer, die wir benutzen können, Altmark?«
»Bei der Feuerwehr wird's das geben«, mutmaßte der Polizist.
»Könnten Sie eine entsprechende Anlage von dort beschaffen?«
»Warum nicht. Herr Doktor?«
»Ja?« Bellow blickt auf.
»Wenn wir bis Mitternacht nicht tun, was sie sagen, sterben die ersten Geiseln, hieß es. Glauben Sie, die werden...?«
»Ja, Hauptwachtmeister. Wir müssen diese Drohung sehr ernst nehmen. Wie gesagt, diese Leute verhalten sich wie guttrainierte und disziplinierte Profis. Das können wir für unsere Zwecke nutzen.«
»Wie denn?« staunte Altmark. Ding antwortete für den Doc.
»Indem wir auf ihre Wünsche eingehen. Indem wir sie in Sicherheit wiegen. Sie sollen glauben, sie hätten alles im Griff - bis wir die Lage im Griff haben. Wir befriedigen ihren Ehrgeiz und schmeicheln ihrem Stolz, solange wir müssen. Und dann, später - machen wir Schluß damit. Wenn die Zeit reif ist.«
***
Das Personal im Schloß sorgte für die Verpflegung der Terroristen. Unter Fürchtners vorgehaltener Waffe wurden belegte Brote geschmiert und von zu Tode geängstigten Dienern serviert. Ostermann und seinen Leuten war der Appetit vergangen, nicht jedoch ihren Gästen.
Bis jetzt ging alles glatt, dachten Hans und Petra. Die wichtigste Geisel war in ihrer Hand, die Lakaien hielten sich auf derselben Etage auf, wo sie Ostermanns Privattoilette benutzen konnten. Auch Geiseln müssen mal aufs Klo, ihnen das zu verbieten, gab es keinen Grund. Alles andere hätte sie ihrer Menschenwürde beraubt und sie zur Verzweiflung gebracht. Das war wenig ratsam. Verzweifelte können allerhand
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