10 - Operation Rainbow
Großkopfeten der Regierung, und grollte insgeheim, weil der Präsident nur auf besondere Anforderung für sie zu sprechen war. Sie mußte erst sein Büro aufsuchen und den Termin mit der zuständigen Sekretärin abmachen, bevor er ihr gnädigst ein paar Minuten seiner überaus wertvollen Zeit schenkte. Als wären ihre Anliegen bloß Zeitverschwendung.
Ein Secret-Service-Agent öffnete ihr respektvoll nickend die Tür und lächelte, als sie das überraschend häßliche Gebäude betrat und sich nach rechts wandte. Wenigstens bot ihr Büro einen guten Ausblick aufs Weiße Haus. Ihre Besprechungsnotizen reichte sie unterwegs dem (männlichen, versteht sich) Sekretär, der sie abtippen würde, dann nahm sie am Schreibtisch Platz und fand einen neuen Aktenberg vor, den sie durcharbeiten mußte. In der Schublade entdeckte sie noch einige Pfefferminzbonbons, die sie beim Studium der Akten lutschen konnte. Doch dann griff sie kurzentschlossen nach der Fernbedienung und schaltete CNN auf ihrem Bürogerät ein, um sich über das Weltgeschehen zu informieren. Es war gerade Zeit für die Nachrichten, und der Aufmacher war diese Geiselnahme in Wien.
Mensch, was für ein Haus! war ihr erster Gedanke. Wie ein Königspalast. Welche Verschwendung für einen einzelnen, selbst für eine Großfamilie, ihn als Privatbehausung zu nutzen. Was hatte Winston noch von dem Eigentümer gesagt? Feiner Kerl? Gewiß. Feine Leute lebten gern auf großem Fuß, vergeudeten kostbare Ressourcen wie nichts. Noch so ein gottverdammter Plutokrat, Börsenhändler, Währungsspekulant, egal womit er seine Kohle verdiente, um sich dies es Anwesen leisten zu können. Und dann waren Terroristen in seine Privatsphäre eingedrungen. Nicht schwer zu erraten, weshalb sie gerade ihn ausgesucht hatten. Einen Schafhirten oder Bierfahrer hätten sie wohl kaum überfallen. Terroristen waren hinter den Wohlhabenden her, oder den mutmaßlichen Entscheidungsträgern, weil es politisch kaum Sinn machte, die kleinen Leute zu attackieren. Und offensichtlich ging es ihnen auch um Politik. Aber sie waren offenbar nicht schlau genug vorgegangen. Es war eine politische Tat, trotz alledem, und irgendein Zweck steckte bestimmt dahinter. Sie mußte grinsen, als der Reporter den Befreiungsschlag der örtlichen Eingreiftruppe in höchsten Tönen pries - leider war nichts zu sehen, weil Kameras und Reporter der Polizei wohl nur im Weg gestanden hätten. Dann kamen die Geiseln, von der Polizei befreit und gerettet, in Wahrheit hatten sie nur ihre vorprogrammierte Lebenszeit zurückerhalten, denn schließlich müssen wir ja alle mal sterben, früher oder später. Gegen die Natur kam man nicht an... obwohl man ihr nachhelfen konnte, nicht wahr? Der Reporter fuhr fort, es handle sich schon um den zweiten terroristischen Zwischenfall, der nach einer längeren Zeit der Ruhe in Europa vorgekommen sei, beide konnten durch beherztes Eingreifen der Polizei verhindert werden. Carol erinnerte sich an den Bankraub in Bern... ebenfalls verpfuscht. Vielleicht absichtlich? Das ließ sich herausfinden, obwohl in diesem Fall ein Scheitern so nützlich war - nein, noch weit nützlicher als der Erfolg, falls es jemand von langer Hand plante. Sie mußte grinsen, als sie daran dachte. Klar. Es war nützlicher als der Erfolg, oder? Und damit fiel ihr Blick auf das Fax der Freunde der Erde, die ihre Direktnummer hatten und ihr gelegentlich mitteilten, was sie für wichtig hielten.
Sie lehnte sich im bequemen hohen Ledersessel zurück und las das Fax zweimal. Hervorragende Leute mit der richtigen Einstellung, bloß hörte niemand auf sie.
»Dr. Brightling?« Ihr Sekretär steckte den Kopf durch die Tür.
»Ja, Roy?«
»Wollen Sie noch immer, daß ich Ihnen die Faxe vorlege beispielsweise das, was sie jetzt in der Hand halten?« fragte Roy Gibbon.
»Warum nicht?«
»Diese Leute sind doch nur transparentschwenkende Wirrköpfe.«
»Das stimmt nicht ganz. Einige ihrer Aktionen finde ich vollkommen berechtigt«, gab Carol zurück und warf das Fax in den Papierkorb. Ihre Idee würde sie bei der kommenden Konferenz einbringen.
»Fair von Ihnen, Doc!« Der Junge verschwand wieder im Vorzimmer.
Der nächste Fund in ihrem Aktenberg war ziemlich wichtig: ein Bericht über das Vorgehen beim Abschalten von Atomreaktoren und die anschließenden Sicherheitsmaßnahmen zur Versiegelung. Wie lange Umwelteinflüsse brauchten, um die Anlagen im Inneren korrodieren und verrotten zu lassen, welcher Schaden daraus
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