10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei
kein Gewehr?«
»Nein, Brétignot, und habe auch niemals eins beses-
sen.«
»Machen Sie sich darum keine Sorgen! Ich werde Ih-
nen eine Doppelflinte leihen; freilich noch ein Perkussions-
gewehr, aber es schießt doch seinen Hasen auf 80 Schritte
tot.«»Vorausgesetzt, daß man den Burschen trifft«, erwiderte
ich.»Natürlich, das wird immer gut sein.«
»Zu gut, Brétignot!«
»Nun fehlt Ihnen noch ein Hund.«
»Unnötig, wenn ich nur einen Hahn* an der Flinte habe,
der wird dann doppelte Dienste tun.«
Freund Brétignot sah mich mit halb lächelndem und
halb grimmigem Gesicht an. Dieser Mann liebt es nicht,
über Dinge, welche die Jägerei betreffen, scherzen zu hören.
Sie sind ihm heilig!
* Unübersetzbares Wortspiel, da ›chien‹ im Französischen die Be-
deutung von ›Hund‹ und von ›Gewehrhahn‹ hat. Anm. des Übers.
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Indes legte sich sein Stirnrunzeln wieder.
»Nun, werden Sie kommen?« fragte er.
»Wenn Sie darauf bestehen!« antwortete ich ohne son-
derliche Begeisterung.
»Ja, ja, natürlich! . . . Man muß so etwas wenigstens ein-
mal in seinem Leben mit angesehen haben. Wir fahren
Samstagabend ab. Ich zähle auf Sie!«
So wurde ich denn zu diesem Abenteuer gepreßt, dessen
trauriges Andenken mich noch heute verfolgt.
Ich gestehe gern, daß mir die nötigen Vorbereitungen
nicht die geringsten Kopfschmerzen verursachten. Ich ver-
lor deswegen keine Stunde Schlaf. Und doch plagte mich,
wenn ich ganz offen sein soll, ein wenig der Dämon der
Neugier. Ist denn der Auftakt der Jagd gar so interessant?
Jedenfalls gelobte ich mir, wenn nicht handelnd aufzutreten,
so doch als Neugieriger die Jäger zu beobachten, ebenso wie
die Jagd selbst. Wenn ich zustimmte, mich mit einer Schuß-
waffe zu beladen, dann geschah das nur, um inmitten dieser
Nimrods, deren Heldentaten zu bewundern Brétignot mich
eingeladen hatte, keine gar zu traurige Figur abzugeben.
Ich muß hier bemerken, daß, wenn Brétignot mir auch
eine Doppelflinte, Pulverhorn und Schrotbeutel lieh, doch
von einer Jagdtasche keine Rede war. Ich mußte mir also
selbst dieses Ausrüstungsstück beschaffen, das die meis-
ten Jäger so bequem entbehren könnten. Ich versuchte mir
eine solche Tasche zu leihen. Tja, jetzt herrschte darin aber
Hausse. Alles vergriffen. Wohl oder übel mußte ich eine
neue kaufen, behielt mir aber ausdrücklich vor, sie mit 50
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Prozent Verlust zurückzugeben,
wenn ich sie nicht zu ihrem eigent-
lichen Zweck gebraucht hätte.
Der Händler betrachtete mich
von Kopf bis Fuß, lächelte und ging
auf diese Bedingung ein.
Dieses Lächeln schien mir nicht
von besonders guter Vorbedeutung.
»Immerhin«, dachte ich, ». . . wer
weiß?«
O Eitelkeit!
III
Am vereinbarten Tag, dem Vorabend des Auftakts, fand ich
mich zu dem von Brétignot bezeichneten Treffen auf dem
Périgord-Platz ein. Dort stieg ich als der achte – die Hunde
nicht mitgerechnet – in den Fond der Diligence ein.
Brétignot und seine Jagdgenossen – ich wagte noch nicht,
mich zu ihnen zu zählen – sahen in ihrem traditionellen
Kostüm ausgezeichnet aus. Tadellose Exemplare und merk-
würdig anzuschauen; die einen ernsthaft in Erwartung des
kommenden Tages; die andern lustig und schwatzhaft, wo-
bei sie mit dem Mund schon den ganzen Wildbestand von
Hérissart vernichteten.
Da gab es ein halbes Dutzend der berühmtesten Don-
nerbüchsen aus der Hauptstadt der Picardie. Ich kannte die
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Besitzer kaum, Brétignot mußte mich
mit aller Förmlichkeit vorstellen.
Da war zunächst Maximon, ein lan-
ger, trockener Kerl, der sanfteste Mensch
unter gewöhnlichen Lebensverhältnis-
sen, aber ein Tiger, wenn er die Flinte
unterm Arm hatte – einer jener Jäger,
von denen man sagt, sie würden eher ih-
ren Nebenmann über den Haufen schie-
ßen, denn als ›Schneider‹ nach Hause zu
kommen. Er, Maximon, sprach nicht; er
war in wichtige Gedanken versunken.
Neben dieser bedeutenden Persön-
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lichkeit saß ein gewisser Duvauchelle. Wel-
cher Kontrast! Duvauchelle war dick, klein,
zwischen 55 und 60 Jahre alt, so taub, daß
er kaum den Knall seiner Flinte hörte, wäh-
rend er doch starrköpfig alle zweifelhaf-
ten Schüsse für sich in Anspruch nahm. So
hatte man ihn schon wiederholt einen toten
Hasen mit blindgeladener Flinte schießen
lassen – einer der Jagdscherze, die 6 Monate
in allen Gesellschaften und bei jeder Table
d’hôte
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