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10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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kein Gewehr?«
    »Nein, Brétignot, und habe auch niemals eins beses-
    sen.«
    »Machen Sie sich darum keine Sorgen! Ich werde Ih-
    nen eine Doppelflinte leihen; freilich noch ein Perkussions-
    gewehr, aber es schießt doch seinen Hasen auf 80 Schritte
    tot.«»Vorausgesetzt, daß man den Burschen trifft«, erwiderte
    ich.»Natürlich, das wird immer gut sein.«
    »Zu gut, Brétignot!«
    »Nun fehlt Ihnen noch ein Hund.«
    »Unnötig, wenn ich nur einen Hahn* an der Flinte habe,
    der wird dann doppelte Dienste tun.«
    Freund Brétignot sah mich mit halb lächelndem und
    halb grimmigem Gesicht an. Dieser Mann liebt es nicht,
    über Dinge, welche die Jägerei betreffen, scherzen zu hören.
    Sie sind ihm heilig!
    * Unübersetzbares Wortspiel, da ›chien‹ im Französischen die Be-
    deutung von ›Hund‹ und von ›Gewehrhahn‹ hat. Anm. des Übers.
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    Indes legte sich sein Stirnrunzeln wieder.
    »Nun, werden Sie kommen?« fragte er.
    »Wenn Sie darauf bestehen!« antwortete ich ohne son-
    derliche Begeisterung.
    »Ja, ja, natürlich! . . . Man muß so etwas wenigstens ein-
    mal in seinem Leben mit angesehen haben. Wir fahren
    Samstagabend ab. Ich zähle auf Sie!«
    So wurde ich denn zu diesem Abenteuer gepreßt, dessen
    trauriges Andenken mich noch heute verfolgt.
    Ich gestehe gern, daß mir die nötigen Vorbereitungen
    nicht die geringsten Kopfschmerzen verursachten. Ich ver-
    lor deswegen keine Stunde Schlaf. Und doch plagte mich,
    wenn ich ganz offen sein soll, ein wenig der Dämon der
    Neugier. Ist denn der Auftakt der Jagd gar so interessant?
    Jedenfalls gelobte ich mir, wenn nicht handelnd aufzutreten,
    so doch als Neugieriger die Jäger zu beobachten, ebenso wie
    die Jagd selbst. Wenn ich zustimmte, mich mit einer Schuß-
    waffe zu beladen, dann geschah das nur, um inmitten dieser
    Nimrods, deren Heldentaten zu bewundern Brétignot mich
    eingeladen hatte, keine gar zu traurige Figur abzugeben.
    Ich muß hier bemerken, daß, wenn Brétignot mir auch
    eine Doppelflinte, Pulverhorn und Schrotbeutel lieh, doch
    von einer Jagdtasche keine Rede war. Ich mußte mir also
    selbst dieses Ausrüstungsstück beschaffen, das die meis-
    ten Jäger so bequem entbehren könnten. Ich versuchte mir
    eine solche Tasche zu leihen. Tja, jetzt herrschte darin aber
    Hausse. Alles vergriffen. Wohl oder übel mußte ich eine
    neue kaufen, behielt mir aber ausdrücklich vor, sie mit 50

    — 9 —
    Prozent Verlust zurückzugeben,
    wenn ich sie nicht zu ihrem eigent-
    lichen Zweck gebraucht hätte.
    Der Händler betrachtete mich
    von Kopf bis Fuß, lächelte und ging
    auf diese Bedingung ein.
    Dieses Lächeln schien mir nicht
    von besonders guter Vorbedeutung.
    »Immerhin«, dachte ich, ». . . wer
    weiß?«
    O Eitelkeit!
    III
    Am vereinbarten Tag, dem Vorabend des Auftakts, fand ich
    mich zu dem von Brétignot bezeichneten Treffen auf dem
    Périgord-Platz ein. Dort stieg ich als der achte – die Hunde
    nicht mitgerechnet – in den Fond der Diligence ein.
    Brétignot und seine Jagdgenossen – ich wagte noch nicht,
    mich zu ihnen zu zählen – sahen in ihrem traditionellen
    Kostüm ausgezeichnet aus. Tadellose Exemplare und merk-
    würdig anzuschauen; die einen ernsthaft in Erwartung des
    kommenden Tages; die andern lustig und schwatzhaft, wo-
    bei sie mit dem Mund schon den ganzen Wildbestand von
    Hérissart vernichteten.
    Da gab es ein halbes Dutzend der berühmtesten Don-
    nerbüchsen aus der Hauptstadt der Picardie. Ich kannte die

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    Besitzer kaum, Brétignot mußte mich
    mit aller Förmlichkeit vorstellen.
    Da war zunächst Maximon, ein lan-
    ger, trockener Kerl, der sanfteste Mensch
    unter gewöhnlichen Lebensverhältnis-
    sen, aber ein Tiger, wenn er die Flinte
    unterm Arm hatte – einer jener Jäger,
    von denen man sagt, sie würden eher ih-
    ren Nebenmann über den Haufen schie-
    ßen, denn als ›Schneider‹ nach Hause zu
    kommen. Er, Maximon, sprach nicht; er
    war in wichtige Gedanken versunken.
    Neben dieser bedeutenden Persön-

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    lichkeit saß ein gewisser Duvauchelle. Wel-
    cher Kontrast! Duvauchelle war dick, klein,
    zwischen 55 und 60 Jahre alt, so taub, daß
    er kaum den Knall seiner Flinte hörte, wäh-
    rend er doch starrköpfig alle zweifelhaf-
    ten Schüsse für sich in Anspruch nahm. So
    hatte man ihn schon wiederholt einen toten
    Hasen mit blindgeladener Flinte schießen
    lassen – einer der Jagdscherze, die 6 Monate
    in allen Gesellschaften und bei jeder Table
    d’hôte

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