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10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Eintritt.
    Reserviert? Für Wild ge-
    wiß nicht, denn das gab’s hier
    nicht.
    So wandelte ich träumend, philosophierend, die Flinte
    am Band tragend und mich mühsam fortschleppend weiter.
    Meiner Meinung nach sank die Sonne heute ganz erstaun-
    lich langsam herab. Hatte sie etwa ein neuer Josua unter
    Aufhebung der Weltgesetze zur Erhöhung des Vergnügens
    meiner engagierten Kameraden in ihrem täglichen Lauf
    aufgehalten? Sollte denn keine Nacht mehr diesem erbärm-
    lichen Tag des Jagdauftakts folgen?
    — 34 —
    IX
    Doch alles hat seine Grenzen – sogar ein reserviertes Ter-
    rain. Schon wurde ein Wald sichtbar, der die Ebene ab-
    schloß. Noch 1 Kilometer, und ich mußte ihn erreicht ha-
    ben.So wanderte ich weiter, ohne mich besonders zu beeilen.
    Der Kilometer war zurückgelegt; ich befand mich am Saum
    des Gehölzes. Fern, ganz fern, hörte man es krachen, wie
    das Raketenbukett eines Feuerwerks am 14. Juli.
    »Die mögen schön morden!« dachte ich. »Die lassen be-
    stimmt nichts für nächstes Jahr übrig!«
    Da kam mir – doch das ganz unter uns – die Idee, ich
    könnte ja im Wald vielleicht mehr Glück haben, als im
    freien Feld. In den Baumkronen hüpften doch sicher un-
    schuldige Sperlinge umher, welche die besten Restaurants,
    hübsch hergerichtet, als Feldlerchen verkaufen.
    So folgte ich einer der Schneisen, die an der Landstraße
    ausmünden.
    Wahrhaftig, der Dämon der Jagd hatte ihren ergebenen
    Diener gepackt! Ja, jetzt trug ich nicht länger die Flinte auf
    der Schulter, ich hatte sie wieder geladen, hielt sie schußbe-
    reit . . . meine Blicke schweiften forschend nach links und
    nach rechts.
    Nichts! Die Spatzen mochten offenbar von den Pariser
    Restaurants nicht viel wissen und hielten sich weislich ver-
    borgen. Ein- oder zweimal legte ich an . . . es waren nur Blät-
    ter, die sich an den Bäumen bewegten, und ich konnte mich

    — 35 —
    doch nicht so weit erniedrigen, auf bloße Blätter Feuer zu
    geben!
    Es war nun 5 Uhr. Binnen 40 Minuten mußte ich laut
    Verabredung im Gasthof zurück sein, wo wir speisen woll-
    ten, ehe der Wagen bestiegen wurde, der uns, Tiere und
    Menschen, Tote und Lebendige, nach Amiens zurückbeför-
    dern sollte.
    Ich folgte also, immer gespannt umherblickend, dem
    Hauptdurchlaß des Waldes, der in schräger Richtung nach
    Hérissart zu führte.
    Plötzlich stand ich wie angenagelt . . . das Herz klopfte
    mir lauter! Unter einem Busch, 50 Schritt von mir, befand
    sich zwischen Brombeeren und anderem Gesträuch offen-
    bar irgend etwas . . .
    Es sah schwarz aus, hatte einen silberartigen Rand und
    eine lebhafte rote Spitze, wie ein glühen-
    der Augapfel, der mir zugewandt war!
    Ohne Zweifel hatte sich hier ein
    Stück Haar- oder Federwild – ich hätte
    nicht sagen können, welches – ein Ver-
    steck gesucht. Ich schwankte zwischen
    einem Hasen, mindestens einem ›Drei-
    vierteltier‹ und einer Fasanenhenne. Ei,
    warum nicht? Es würde mich in den Au-
    gen meiner Gefährten gewaltig rehabili-
    tieren, wenn ich mit einem Fasan in der
    Jagdtasche zurückkam.
    Ich schlich mich vorsichtig heran,

    — 36 —
    das Gewehr zum Feuern bereit. Ich
    hielt den Atem an. Ich war erregt wie
    Duvauchelle, Maximon und Brétignot
    zusammen.
    Endlich, in bequemer Schußweite,
    auf etwa 20 Schritte, ließ ich mich auf
    ein Knie nieder, um sicheren Anschlag
    zu haben, sperrte das rechte Auge weit
    auf und machte das linke felsenfest zu,
    brachte Kimme und Korn in gebühren-
    de Übereinstimmung und – gab Feuer.
    »Getroffen!« schrie ich außer mir. »Diesmal wird mir
    niemand meinen Schuß streitig machen!«
    Mit eigenen Augen hatte ich Federn auffliegen sehen,
    wenn’s nicht gar Haare waren.
    Mangels eines Hundes lief ich selbst auf den Busch zu,
    stürzte mich auf das regungslose Wild, das kein Zeichen
    von Leben mehr gab! Ich hob es auf . . .
    Es war ein Gendarmenhut mit Silberbordüre und einer
    Kokarde, deren Rot mich wie ein Auge anzublicken schien.
    Zum Glück hatte er sich in dem Moment, wo ich schoß,
    nicht auf dem Kopf seines Eigentümers befunden!
    — 37 —
    X
    In diesem Augenblick erhob sich eine lange Gestalt, die
    vorher im Gras gelegen hatte. Mit Schreck erkannte ich die
    blauen Beinkleider mit schwarzen Seitenstreifen, den dunk-
    len Waffenrock mit silbernen Knöpfen, den gelben Gürtel
    und das gelbe Bandelier des Pandorus, den mein unglück-
    licher Flintenschuß geweckt hatte.
    »Wer zum Teufel heißt Sie auf Gendarmenhüte schie-
    ßen?«

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