Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
aufflattert. Allgemeine Füsillade!
    Feuer nach Belieben! Mindestens 15 Flintenschüsse kra-
    chen, meinen nicht mitgerechnet.
    Da ertönt ein Schrei durch den Pulverdampf ! Ich blicke
    dorthin. In diesem Moment erscheint ein Gesicht über dem
    Busch. – Es war ein Bauer mit einer so aufgetriebenen rech-
    ten Wange, als hätte er eine Walnuß im Mund.
    »Schön! Ein Un-
    fall!« rief Brétignot.
    »Das fehlte mir ge-
    rade noch!« bemerkte
    Duvauchelle.
    Das war alles, was
    dieses Verbrechen, be-
    treffend »Schläge und
    — 30 —
    Verwundungen, ohne die Absicht zu töten«, wie es im Ge-
    setzbuch heißt, in ihnen hervorrief. Und diese Leute, die
    kein Herz im Leib hatten, liefen ihren Hunden entgegen, die
    zwei nur verwundete Rebhühner apportierten, und gaben
    dem unglücklichen Geflügel mit dem Schuhabsatz vollends
    den Rest! Ich wünsche ihnen ebensoviele Fußtritte, wenn
    sie’s einmal nötig haben sollten!
    Währenddessen stand der Eingeborene immer noch da
    mit seiner dick geschwollenen Backe, ohne reden zu kön-
    nen.Da kehrten eben Brétignot und die anderen zurück.
    »Na, was hat denn der brave Mann?« fragte Maximon
    mit dem Ton eines Beschützers.
    »Zum Teufel, er hat ein Schrotkorn in der Wange«, ant-
    wortete ich.
    »Pah, das ist doch nichts!« meinte Duvauchelle, »das hat
    nichts zu bedeuten.«
    »Doch . . . doch . . .«, stotterte der Bauer, der seiner Ver-
    letzung durch eine schreckliche Grimasse mehr Wichtigkeit
    zu geben versuchte.
    »Wer ist denn ungeschickt genug gewesen, diesen armen
    Teufel anzuschießen?« fragte Brétignot, dessen forschender
    Blick zuletzt auf mir haften blieb.
    »Haben Sie nicht geschossen?« wandte sich Maximon an
    mich.
    »Ja, ich habe geschossen, so wie alle andern.«
    »Nun, da ist ja die Frage gelöst!« erklärte Duvauchelle.

    — 31 —
    »Sie sind ein ebenso ungeschickter Jäger, wie Napoleon
    I.«, versetzte Pontcloué, der das Kaisertum haßte.
    »Ich . . . ich?« rief ich.
    »Es kann niemand anders gewesen sein, als Sie«, sagte
    Brétignot streng.
    »Ganz klar! Dieser Herr ist ein sehr gefährlicher
    Mensch!« ließ sich Matifat vernehmen.
    »Und wenn man ein solcher Neuling ist«, fügte Pont-
    cloué hinzu, »lehnt man jede Einladung, sie komme, wo-
    her sie wolle, einfach ab!« Damit gingen alle drei weiter. Ich
    verstand . . . Man überließ mir den Verwundeten auf meine
    Rechnung und Gefahr.
    Ich machte der Sache ein Ende, zog die Börse und bot
    dem braven Bauer 10 Franc, wobei
    seine rechte Wange sofort abschwoll.
    Offensichtlich hatte er seine Nuß ver-
    schluckt.
    »Es geht wohl besser?« fragte ich
    teilnahmsvoll.
    »O ja . . . bißchen . . . jetzt fängt’s
    hier wieder an!« antwortete er und
    blies nun die linke Wange auf.
    »Ah, nein«, sagte ich, »nein, für dieses Mal ist’s mit einer
    Backe genug!«
    Und damit ging auch ich meines Weges.

    — 32 —
    VIII
    Während ich so mit diesem spitzbübischen Picarden ver-
    handelte, hatten die andern einen ziemlichen Vorsprung
    gewonnen. Übrigens hatten sie mir nicht undeutlich zu ver-
    stehen gegeben, daß man in der Nachbarschaft eines Tölpels
    wie mir nicht gerade in Sicherheit sei, und daß die gewöhn-
    liche Klugheit fordere, sich von so jemand fernzuhalten.
    Selbst der gestrenge, aber ungerechte Brétignot ließ mich
    im Stich, als sei ich ein Auswürfling mit dem bösen Blick.
    Alle verschwanden bald in ei-
    nem kleinen Gehölz zur Linken.
    Offen gestanden, war ich über diese
    Wendung der Dinge nicht beson-
    ders böse. Jedenfalls trug ich jetzt
    nur die Verantwortung für meine
    eigenen Taten.
    Ich war also allein, allein in die-
    ser weiten
    Ebene, die
    gar kein Ende nahm. Was hätte ich
    hier überhaupt angeben sollen; gro-
    ßer Gott, mit dieser ganzen Ausrüs-
    tung auf den Schultern! Kein Reb-
    huhn entlockte meiner Flinte einen
    Laut! Nicht ein ›Hiase‹, wie die
    Bauern der Picardie sagen, nicht
    ein Hase, dem ich hätte nachlaufen

    — 33 —
    können! Wie gemütlich hätte sich’s da in meinem Zimmer
    gesessen, wo ich ruhig schreiben, lesen oder auch gar nichts
    machen konnte!
    Ich ging ziellos weiter, wählte aber mehr die Raine, statt
    der umgepflügten Felder. 10 Minuten lang setzte ich mich
    still hin, dann ging ich wieder 20. Im Umkreis von 5 Ki-
    lometern war kein Hase zu se-
    hen, kein Kirchturm ragte am
    Horizont empor! Die reine
    Wüste! Da und dort verbot ein
    Pfahl mit der rätselhaften Auf-
    schrift: »Reserviertes Jagdre-
    vier« den

Weitere Kostenlose Bücher