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10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei

Titel: 10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht zu sagen,
    »ein Volk«, denn das wäre mindestens ein äußerst vermin-
    dertes Volk gewesen.
    Es bestand nämlich aus nicht mehr als zwei
    Rebhühnern. Macht nichts! Ich schoß ›in den
    Haufen‹ hinein, und auch diesmal folgten
    dem Knall meines Gewehrs gleich zwei andere
    Schüsse. Pontcloué und Matifat hatten gleichzei-
    tig ihr Pulver sprechen lassen.
    — 26 —
    Eines der armen Tiere fiel herab. Das andere flog lustig
    davon und ließ sich 1 Kilometer entfernt hinter einer Bo-
    denerhebung nieder.
    Du beklagenswertes Rebhuhn, welche Streitigkeiten
    hast du ausgelöst! Welche Auseinandersetzungen zwischen
    Matifat und Pontcloué! Jeder behauptete, der Urheber des
    Mordes zu sein. Da gab’s ein Hin- und Herreden, verlet-
    zende Bemerkungen, bedauerliche Anspielungen! Und wel-
    che Ausdrücke! . . .
    »Wucherer!«
    »Er beansprucht alles für sich!«
    »Zum Teufel mit den Leuten, die keine Scham im Leib
    haben!«
    »Das sei gewiß das letzte Mal, daß man miteinander
    jagte!« Und dazu noch andere liebenswürdige Reden und
    Gegenreden, die wiederzugeben sich meine Feder sträubt.
    In Wahrheit krachten die Schüsse der beiden Herren
    genau zur selben Zeit. Ihnen war zwar noch ein dritter
    vorhergegangen, aber – darüber war ja kein Wort zu ver-
    lieren – wäre es denkbar gewesen, daß ich jenes Rebhuhn
    erlegt hatte? Urteilen Sie nur selbst . . . ein Schüler! . . .
    In den Streit zwischen Matifat und Pontcloué glaubte ich
    mich nicht einmischen zu sollen, nicht einmal mit der edel-
    mütigen Absicht, zu vermitteln! Wenn ich nicht selbst re-
    klamierte, dann lag das daran, daß ich von Natur schüch-
    tern bin, und . . . nun, Sie kennen ja den Rest der Phrase.

    — 27 —
    VII
    Endlich war zur größten Befriedigung unserer Mägen die
    Mittagszeit gekommen. Wir rasteten am Fuß eines Hügels,
    im Schatten einer großen Ulme. Die Gewehre und die – lei-
    der noch leeren – Jagdtaschen wurden an die Seite gelegt.
    Dann frühstückten wir, um die seit unserem Aufbruch so
    nutzlos verschwendeten Kräfte einigermaßen zu ersetzen.
    Eine traurige Mahlzeit! Da gab’s ebensoviele Vorwürfe
    wie Bissen! Schreckliches Land! . . . Eine hübsch gepflegte
    Jagd! Die Wilddiebe richten sie zugrunde! . . . Man sollte die
    Kerle, jeden an einen Baum aufhängen und ihnen ein Pla-
    kat auf die Brust kleben, das ihre Schande bekanntmachte

    — 28 —
    . . . Die Jagd wurde zur Unmöglichkeit! . . . Nach 2 Jahren
    würde es hier kein Stück Wild mehr geben . . . Sollte man
    nicht das Jagen irgendwann ganz verbieten! . . . Ja! . . . Nein!
    . . . Und so kam die ganze Litanei von Jägern, die nichts er-
    legt haben, zum Vorschein.
    Da begann wieder der Streit zwischen Pontcloué und
    Matifat, wegen des halben Rebhuhns, das jeder ganz bean-
    spruchte. Die anderen mischten sich ein . . . ich befürchtete
    schon, es würde noch zu Handgreiflichkeiten kommen.
    1 Stunde später setzten wir uns noch einmal in Bewe-
    gung – wohlgeatzt und ›angefeuchtet‹, wie man hier sagt.
    Vielleicht waren wir vor dem eigentlichen Mittagessen
    glücklicher! Welcher wahrhaftige Jäger vor dem Herrn be-
    wahrt nicht immer noch ein wenig Hoffnung bis zum Ende,
    wo er den ›Appell‹ der Rebhühner hört, die sich zusammen-
    rufen, um die Nacht en famille zu verbringen.
    Wir waren also wieder auf dem Marsch. Die Hunde,
    in fast ebenso mürrischer Laune wie wir, trotteten voran.
    Ihre Herren schimpften hinter ihnen
    her mit schrecklichen Lauten, die dem
    Kommando in der englischen Marine
    glichen.
    Ich folgte unsicheren Schritts. Ich
    fing an, kreuzlahm zu werden. So leer
    meine Jagdtasche auch war, drückte sie
    mir doch auf die Nieren. Mein Gewehr
    von ganz unglaublichem Gewicht ließ
    mich mit Bedauern an meinen Spa-

    — 29 —
    zierstock zurückdenken. Das Pulverhorn, der Schrotbeutel,
    all diese belastenden Gegenstände hätte ich am liebsten ei-
    nem der kleinen Bäuerlein übergeben, die mir mit spötti-
    scher Miene nachliefen und fragten, wie viel ›Hühnervieh‹
    ich schon abgewürgt hätte. Ich wagte es aus Eigenliebe nur
    nicht.
    So schlichen 2 Stunden, 2 tödliche Stunden dahin. Wir
    hatten gut unsere 15 Kilometer in den Beinen. Eines wurde
    mir immer klarer: daß ich von diesem vermaledeiten Aus-
    flug viel eher eine Verkrümmung als ein Dutzend Wachteln
    heimbringen würde.
    Da, was gibt’s da für ein Geräusch, das mich wieder
    weckt? Diesmal ist’s wirklich ein ganzes Volk Rebhühner,
    das aus einem Gebüsch

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