10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei
fragte er mich in einem Ton, aus dem der Staatsbe-
amte sprach.
»Gendarm . . . ich glaubte . . . es sei ein Hase! . . . Eine op-
tische Täuschung! Übrigens bin ich gern bereit, den Scha-
den zu ersetzen.«
»Wirklich! Nun, ein Gendarmenhut ist ziemlich teuer . . .
besonders wenn man ihn ohne Jagdschein erlegt!«
Ich wurde blaß. Alles Blut drängte sich mir zum Herzen.
Das war der heikelste Punkt.
»Sie sind doch im Besitz eines Jagdscheins?« fragte mich
der Pandorus.
»Eines Jagdscheins?«
»Ja, eines Jagdscheins. Sie wissen doch hoffentlich, was
ein Jagdschein ist?«
Leider hatte ich keinen Schein. Für einen einzigen Jagd-
tag glaubte ich davon absehen zu dürfen, einen zu lösen.
Aber ich glaubte dem Mann des Gesetzes versichern zu
müssen, was man bei derartiger Gelegenheit stets versi-
chert, daß ich meinen Jagdschein nur vergessen habe.
— 38 —
Ein Lächeln überlegener Un-
gläubigkeit verbreitete sich auf dem
Gesicht des Gendarmen.
»Dann bin ich eben gezwungen,
ein Protokoll aufzunehmen«, sagte
er zu mir in dem sanfteren Ton ei-
nes Mannes, der schon eine Prämie
für sich winken sieht.
»Warum? Morgen werde ich Ih-
nen den Schein schicken, den Jagd-
schein, mein wackerer Gendarm,
und . . .«
»Ja, ja, weiß schon«, erwiderte
der Pandorus, »aber ein Protokoll ist nicht zu umgehen.«
»Nun gut, dann protokollieren Sie,
wenn Sie denn einmal für die Bitte ei-
nes Anfängers unempfindlich sind.«
Ein Gendarm, der dafür empfind-
lich wäre, wäre ja kein Gendarm mehr.
Der meinige zog denn auch ein in
gelbliches Pergament gebundenes No-
tizbuch aus der Tasche.
»Wie heißen Sie?« begann er.
Ah, ich wußte, daß es üblich ist, in so schwerer Verle-
genheit der Behörde den Namen eines Freundes zu nennen.
Wenn ich jetzt gerade Mitglied der Akademie von Ami-
ens gewesen wäre, wahrlich, ich hätte nicht gezögert, den
Namen eines gelehrten Kollegen anzugeben. Ich begnügte
— 39 —
mich jedoch damit, den eines
alten Kameraden, eines be-
kannten Pariser Pianisten, zu
nennen. Der brave Junge saß
momentan bestimmt zu Hause
und trainierte den vierten Fin-
ger, ohne eine Ahnung, daß
man ihn wegen eines Jagdver-
gehens in ein Protokoll auf-
nahm.
Der Pandorus verzeichnete ernsthaft den Namen seines
Opfers, dessen Beruf, Alter und Adresse. Dann bat er mich
ganz höflich, ihm meine Flinte zu übergeben – wozu ich
eiligst bereit war. Ich hatte dann ja weniger zu tragen; ich
bat ihn auch, mir die Jagdtasche, den Schrotbeutel und das
Pulverhorn gleichzeitig mit abzunehmen. Das lehnte er mit
einem für mich beklagenswerten Desinteresse ab.
Nun war noch die Frage des Huts zu regeln. Diese fand
zur Zufriedenheit beider Teile durch die
Aushändigung eines Geldstücks die ge-
wünschte Lösung.
»Es ist sehr schade«,
meinte ich, »der Hut
war so hervorragend
erhalten.«
»Es war ein fast
neuer Hut«, entgeg-
nete der Pandorus,
— 40 —
»ich habe ihn erst vor 6 Jahren von einem Brigadier gekauft,
als er in den Ruhestand trat.«
Nachdem er das Möbel wieder vorschriftsmäßig auf den
Kopf gestülpt hatte, ging der Gendarm, sich in den Hüften
wiegend, nach seiner, ich aber nach meiner Seite davon.
1 Stunde später hatte ich den Gasthof erreicht, verheim-
lichte so gut wie möglich das Verschwinden der Flinte und
erwähnte mein Abenteuer mit keinem Sterbenswörtchen.
Es soll aber nicht verschwiegen bleiben, daß meine Jagd-
genossen als ganze Beute für sieben Mann eine Wachtel
und zwei Rebhühner heimbrachten. Wegen eines Hasens,
der noch jetzt fröhlich draußen umherlief, war es zwischen
Maximon und Duvauchelle sogar zu Tätlichkeiten gekom-
men, und Pontcloué und Matifat hatten sich auf den Tod
verfeindet.
— 41 —
XI
Das ist die Reihe der Aufregungen, die ich an jenem denk-
würdigen Tag durchkosten mußte! Ich hatte vielleicht eine
Wachtel getötet, vielleicht ein Rebhuhn erlegt, vielleicht ei-
nen Bauer verwundet, aber ganz sicherlich hatte ich einen
Gendarmenhut durchlöchert!
Ohne Jagdschein ertappt, war über
mich unter fremdem Namen ein Proto-
koll aufgesetzt worden. Ich hatte die Behörde hintergangen!
Oh, kann einem Neuling von Jäger am Beginn seiner Lauf-
bahn eines Anderson und Pertuiset noch mehr zustoßen?
Es versteht sich von selbst, daß mein Freund, der Pianist,
unangenehm überrascht war, als er eine Vorladung erhielt,
vor dem Korrektionstribunal von Doullens zu
Weitere Kostenlose Bücher