10 Stunden auf der Jagd. Nur eine Plauderei
als zuwenig. Wer weiß . . . ein Körnchen mehr ret-
tete mich vielleicht vor dem Schneiderwerden! Das Ganze
stopfte ich fest, stopfte, daß ich beinah die Schwanzschraube
des Gewehrs sprengte, und endlich – o Unklugheit! – ver-
sah ich den Zündstift des geladenen
Laufs auch noch mit dem notwendi-
gen Zündhütchen.
Nach vollbrachtem Werk ging’s
nun an den rechten Lauf, aber wäh-
rend ich dessen Ladung festschlug –
welcher Krach! Ein Schuß ging los!
. . . die ganze erste Ladung blitzte mir
an der zweiten Ladung vorbei! . . . Ich
hatte vergessen, den Hahn des linken
Laufs auf das Zündhütchen herabzu-
lassen, und eine Erschütterung hatte
gereicht, ihn auszulösen!
Das mögen sich Neulinge hinter die Ohren schreiben!
Beinah hätte ich die Eröffnung der Jagd im Departement
der Somme mit einem beklagenswerten Unfall begangen.
Da hätten die Lokalblätter fetten Stoff für ihre Rubrik ›Ver-
schiedenes‹ gehabt!
— 23 —
Und doch, wenn in dem Augenblick, wo der Schuß hi-
nausdonnerte . . . wenn ja, dieser Gedanke kam mir wirk-
lich – nun in der Richtung, welche die Schrotladung nahm,
gerade ein Stück Wild vorübergeflogen wäre, hätte ich’s
doch unzweifelhaft erlegt! . . . Das war vielleicht eine Gele-
genheit gewesen, die nicht wiederkehrte.
VI
Inzwischen hatten Brétignot und seine Gefährten die kleine
Anhöhe erreicht. Hier angekommen, berieten sie über Mit-
tel und Wege, ihr Mißgeschick zu beschwören. Ich schloß
mich ihnen wieder an, nachdem ich mein Gewehr wieder
geladen hatte, diesmal mit größter Vorsicht.
Da sprach mich Maximon an, das heißt in einem Ton,
wie er einem Meister zukam.
»Sie haben geschossen?« sagte er.
»Ja! . . . das heißt . . . ja! . . . ich habe geschossen . . .«
»Ein Rebhuhn?«
»Gewiß ein Rebhuhn!«
Um nichts in der Welt hätte ich vor diesem Areopag
meine Ungeschicklichkeit eingestanden.
»Und wo ist dieses Rebhuhn?« fragte Maximon, meine
leere Jagdtasche mit dem Ende seines Gewehrs berührend.
»Verloren!« versicherte ich mit frecher Stirn. »Was mei-
nen Sie! Ich hatte ja keinen Hund. Ja, wenn ich einen Hund
gehabt hätte!«
— 24 —
Nun, bei einem so vielversprechenden Anfang kann’s ei-
nem doch nicht fehlen, ein richtiger Jäger zu werden.
Da rettete mich glücklich eine unerwartete Unterbre-
chung. Pontcloués Hund hatte in einer Entfernung von
kaum 10 Schritten eine Wachtel aufgejagt. Unwillkürlich,
wenn man will, aus reinem Instinkt
legte ich an und . . . Peng! – wie Mati-
fat sagte . . .
Da kriegte ich aber eine Ohrfeige
zur Strafe für meine fehlerhafte Ge-
wehrhaltung, ja, eine Ohrfeige, für die
man nur niemand anderen verantwort-
lich machen kann. Dem Krachen mei-
nes Gewehrs folgte sofort das eines an-
deren, nämlich der Flinte Pontcloués.
Durchlöchert wie ein Sieb fiel die Wachtel zur Erde, und
der Hund überbrachte sie seinem Herrn, der sie mit aller
Gemütsruhe in seine Jagdtasche versenkte.
Man tat mir nicht einmal die Ehre an, zu vermuten, daß
ich an diesem Mord doch auch einen gewissen Anteil haben
könnte. Doch ich sagte nichts, ich wagte nichts zu sagen. Es
ist bekannt, daß ich von Natur schüchtern bin gegenüber
Leuten, die von einer Sache mehr verstehen als ich.
Meiner Treu, dieser erste Erfolg hatte den anderen wü-
tenden Wildverwüstern ordentlich Appetit gemacht. Man
stelle sich einmal vor: Nach 3stündigem Jagen 1 Wachtel
auf 7 Jäger! Nein, es war unmöglich, daß dieses reiche Jagd-
revier von Hérissart nicht noch eine andere enthalten hätte,
— 25 —
und wenn es gelang, die zu erlegen, dann kam doch schon
fast eine Drittel Wachtel auf jeden Kombattanten.
Nach Übersteigung der Höhe gelangte die Gesellschaft
wieder auf frisch bearbeitetes Land. Mir sagten diese Fur-
chen, die einen zu unförmlichen Schrit-
ten zwingen, die Erdschollen, die sich an
die Füße kleben, nicht im geringsten zu;
ich ziehe ihnen den Asphalt der Boule-
vards denn doch bei weitem vor.
So wanderte unsere Gesellschaft mit
ihrer Meute 2 volle Stunden, ohne etwas
zu sehen. Schon runzelten sich die Au-
genbrauen. Eine Art wilde Reizbarkeit
machte sich über alles und über nichts
bemerkbar, ob ein Jäger nun mit dem
Fuß gegen einen Klotz stieß oder ein Hund den anderen
überholte. Kurz, es wurden allerhand Zeichen schlechter
Laune sichtbar.
Endlich fliegen, 40 Schritte von uns entfernt, aus einem
Zuckerrübenfeld Rebhühner auf. Ich wage
Weitere Kostenlose Bücher