1:0 Tüftelzapf
Geschichtsbüchern. — Aber da gab es auch die Käsefabrik Kraftmeier noch nicht!
Im ersten Stock des Gerechtigkeitsamtes brannte noch Licht. Die Tormaus im Portierhäuschen war eingeschlafen und schnarchte laut. — Gut so! Kuvertl huschte vorbei, hastete die Treppe hinauf in den ersten Stock und schnüffelte an einigen Türen. Aha, da drinnen war noch jemand! — Sorgfältig beschnupperte er die Türklinke, um sich zu vergewissern, wer... Kein Zweifel — eine Mannmaus! — Pfeifenraucher..., teurer Überseetabak..., eine Spur von Kümmelschnaps... hm—hm!
Auf dem Türschild stand:
Sanftel..., Sanftel...? überlegte Kuvertl. Ja, richtig! — Der war doch auch voriges Jahr...! Glück muß die Maus haben, wenn sie schon keinen Käse hat!
Zaghaft klopfte er an. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde. Der Gerechtigkeitsrat musterte den späten Besucher herablassend. Doch dann huschte ein Aufleuchten über sein Dickmausgesicht:
„Ja, Sie sind doch...! — Ku..., Ku..., — ja, richtig — Kuvertl! Briefträger Kuvertl — stimmt’s?“ piepste er wohlwollend. „Sie alter Oberschnüffler! Nur hereinspaziert! Wenn ich Ihre Nase hätte, müßte ich nicht erst an die Tür rennen, um nachzusehn, wer geklopft hat! — Nun ja, ich kam seinerzeit auch nur auf den einundzwanzigsten Platz.“ Sanftels Freude war ehrlich. „Was kann ich für Sie tun? Ich sehe es doch an Ihrer Schwanzspitze, daß Sie etwas auf dem Herzen haben, mein Freund. Nur heraus damit! Für einen alten Schnüffelbruder bin ich immer zu sprechen!“ Ein bißchen ernster fuhr er fort: „Aber haben Sie gerade die Ansprache des alten Käsebauchs von drüben gehört? — Da braut sich was zusammen, sag’ ich Ihnen! — Die werden uns Schwierigkeiten machen — und wir Schlaumäuse wissen noch nicht einmal, wer dann den Käse nun eigentlich geklaut hat!“
„Ich...“ begann Kuvertl.
„Waaas — Sie...? Das glaubt Ihnen doch keine Maus!“ flötete der Gerechtigskeitsrat. „Sie sind mir so ein kleiner Mäuseschelm!“ Geziert stupste er den Briefträger mit der Pfote in den Bauch.
„Ich... ich wollte sagen, daß ich glaube..., daß ich vielleicht weiß, wer den Käse gestohlen hat — vielleicht!“ stammelte Kuvertl.
„Ach so, Sie wissen, wer...?“
„Vielleicht!“ betonte er noch einmal. „Ich habe nämlich nichts geseh’n — nur etwas geschnuppert!“
„Für einen Meisterschnüffler ist geschnuppert soviel wie gesehen — das ist so klar wie Käsebrühe!“ erklärte Sanftel sehr überzeugend, und er mußte es ja wissen — als Gerechtigkeitsmaus. „Mein Freund, nur heraus damit!“ drängte er. „Keine Maus kann uns hier hören!“
Und Kuvertl berichtete: „Das ist so: Als Briefträger kommt man in viele Häuser. Und unsereiner sieht und hört und riecht so manches, was man besser nicht gesehen, gehört und geschnuppert hätte, weil man es ja doch nicht weitersagen darf — Sie wissen, ja, wegen des Postgeheimnisses!“
„Ja, ja — schon gut, schon gut!“ sagte der Gerechtigkeitsrat ungeduldig. „Aber in diesem Fall handelt es sich um eine streng geheime Staatsangelegenheit — und da sind Sie sogar verpflichtet..., noch dazu als Beamter! Also, wer sind die Käsediebe?“
Kuvertl zog ein kummervolles Gesicht, rückte seine Brille zurecht, die ihm immer zur Schnauzenspitze vorrutschte, drehte nervös an den Westen knöpfen, schneuzte sich umständlich in sein rot-blaukariertes Taschentuch.
So erleichtert, berichtete er endlich — aber mit vielen Pausen — daß er mit Sicherheit in vier Häusern Käsegeruch aufgeschnappt habe; nämlich: bei den Schlürfigels, bei den M... — aber das flüsterte er nur noch.
Als gesagt war, was gesagt werden mußte, klopfte der Gerechtigkeitsrat Sanftel dem Briefträger Kuvertl begütigend auf die Schulter und meinte:
„Gut geschnuppert, mein Freund! Das muß ich gleich dem Chef melden!“ Er zündete sich eine Pfeife an, hob den Telefonhörer ab und wählte die Nummer 0-0-0-1. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich endlich eine verschlafene Stimme meldete:
„Hier Null-Null-Null-Eins — privat! — uuuaaah...“
„Hier ist Gerechtigkeitsrat Sanftel! — Ich muß den Chef sprechen. — Dringend!“
„Sie haben wohl Hornissen im Kopf!“ fuhr ihn die Dienstmaus am anderen Ende der Leitung an. „Zwanzig Minuten nach Mitternacht — den Chef sprechen...! — Was glauben Sie, was der mit mir anstellt, wenn ich ihn jetzt aufwecke! — Ich bin doch nicht lebensmüde! —
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