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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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mal an »Shell«. Corail hingegen stört viele Esser. Geschlechtsorgane von Muscheltieren, isst man so etwas? Aber er ist schnell abgetrennt und kann obendrein zur Bindung von Fischsaucen dienen. Was bleibt, ist ein leckerer, ganz leicht süßlich schmeckender »Meeresmuskel«.
    Früher, da war das Muschelkaufen noch einfach. Aus den kalten Wassern des Atlantiks kamen die Jakobsmuscheln in ihrer Schale auf den Markt. Für den Kauf gibt es untrügliche Frischezeichen: Normalerweise sollte die Muschel geschlossen sein, hat sie sich geöffnet, klopft man leicht mit den Fingerspitzen auf den Deckel. Schließt sie sich prompt, dann ist sie frisch. Schließlich ist eine Jakobsmuschel sozusagen ein lebender Muskel. Rund sieben Kilo ganze Muscheln muss man erstehen, um zu Hause ein Kilo verzehrbares Jakobsmuschelfleisch auf dem Teller zu haben. Das Öffnen und Auslösen fällt dem Fischhändler zu. Wenn man auf eine frisch geöffnete Jakobsmuschel eine Prise Salz streut, sollte sie sich noch zusammenziehen.
    Diese Muscheln der Gattung Pecten maximus wurden von Oktober bis Mai in Schottland, Irland und Frankreich gefangen. Der Fang der französischen Jakobsmuscheln ist streng reglementiert. Rund 11 cm Durchmesser ist für die Muscheln aus den Ärmelkanal vorgeschrieben, 10,2 cm sind es für den westlichen Ärmelkanal und die anderen Vorkommen. Zwei bzw. drei Jahre braucht so eine Pecten maximus, um zu voller Reife zu kommen. Wird sie nicht geerntet, kann die Muschel angeblich sogar 20 Jahre alt werden. Besonders ergiebig ist der Fang in der Bucht von Saint-Brieuc; im Winter schmücken die besten Restaurants ihre Karten mit »Saint Jacques« aus Erquy. Soweit die althergebrachte Jakobsmuschel-Romantik.
    Wer hingegen die ausgelösten Muscheln kauft, der sieht ihnen Frische, Alter und Herkunft nicht an. Sie können tiefgefroren sein oder aus ganz anderen Gegenden der Welt stammen. Meist sind das kleine Muscheln der Gattung Placopecten magellanicus oder Chlamys islandica aus Kanada und Neuengland. Andere stammen aus Australien, Chile, viele wurden in Asien gefangen oder gezüchtet (Patinopecten yessoensis). Bereits 2005 gingen 80 Prozent der weltweit gefangenen Pecten-Muscheln in China an Land.
    Über Fertiggerichte und Tiefkühlware kommen diese Muscheltiere auch zu uns. Einkäufer von Tiefkühlware kennen neben der Gattung weitere Fachbegriffe: »Dry Pack« zum Beispiel. Simpel ausgedrückt heißt das »ohne Beigaben aus der Chemiefabrik«. Tiefgefrorene Meeresfrüchte – bei weitem nicht nur Jakobsmuscheln – werden oft mit Phosphaten, besonders Sodium Tripolyphosphaten (STP), behandelt. Und natürlich erzählt uns die chemische Industrie, wie sicher und ungefährlich diese Zugabe für unseren Körper ist. Ganz bestimmt brandgefährlich ist sie jedoch für unser Portemonnaie. Ein wenig STP erhält die Feuchtigkeit in Meeresfrüchten. Ein wenig mehr sorgt dafür, dass sie sich mit Wasser vollsaugen. Bis zu 25 Prozent Gewichtszunahme sind dadurch möglich. Niemand muss ein großer Rechner sein, um zu wissen, dass Wasser günstiger als Jakobsmuschel ist. In den USA wurde deshalb ein Höchstwert von 80 Prozent für den Anteil von Feuchtigkeit am Gesamt gewicht der Muscheln festgelegt. Alle anderen sind »Jakobsmuschelprodukte mit Wasserzugabe«. Die Farbe verrät solche Praktiken manchmal: Mit STP traktierte Jakobsmuscheln können (aber müssen nicht) weiß wie Stärke sein, während ihr natürlicher Farbton eher elfenbeinfarben ist. Außerdem kann beim Auftauen eine milchig wirkende Flüssigkeit aussickern.
    Inzwischen werden solche »Dry Packs« auch nach Europa exportiert. Beim Großhändler war das Kilo »American Dry« im Dezember 2010 gut drei Euro günstiger als einheimische Ware. Wegen dieser Ersparnis wird die Tiefkühlware auch in Restaurants mit gutem Ruf serviert. Und es geht noch günstiger: Jakobsmuscheln aus chilenischer Aquakultur sind im Großhandel gut 13 Euro pro Kilo günstiger als europäische Ware. Aber im Restaurant fragt ja niemand nach der Herkunft der Muscheltiere.
    Fieser Dummenfang sind auch Muschel-Imitate aus Surimi, einer entaromatisierten und in Form gepressten Fischpampe. Letztere zumindest kann jeder mit bloßen Augen vom Original unterscheiden: Meist sind sie kreisrund, der orangene Corail ist nur »aufgemalt«, und die Konsistenz entspricht eher profaner Zuckerwatte als dem schmackhaften Meeres-Muskel.

Kabeljau/Skrei
    Mit diesem Meeresbewohner habe ich zeitlebens gleich mehrere Probleme

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