100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
romantische Hollywoodfilme: Ich sehe Paare vor mir, die an rot karierten Tischdecken in einfachen Fischrestaurants mit Lampions sitzen – waren das vielleicht Rock Hudson und …?
Dass man die armen Tiere bei lebendigem Leib in kochendes Wasser wirft, schmälert meine Genussfreude zudem. Wobei mir neulich jemand erzählte, dass man das dem schönen, urzeitlich aussehenden Meereswesen, das sich in seiner Qual rot färbt, auch ersparen kann: Viele Fischhändler erlösen es angeblich mit einem Genickstich – allerdings muss es dann sofort in den Topf mit kochendem Wasser und schnell auf den Tisch. Von blauem Hummer habe ich noch nie gehört. Färbt der sich blau statt rot?
Rot oder blau, das ist hier die Frage. Die rote Variante stammt aus kanadischen Gewässern, der blaue europäische Hummer ist vom Polarkreis über England bis zu Marokkos Küsten zu Hause: Schwer bewaffnet mit zwei Riesenscheren schleppt er sich krustenrasselnd durchs Meer. Die Kanadier sind Zuchttiere. Der Blaue hingegen muss gefangen werden. Das ist nicht ganz einfach. Täglich legt jeder Hummerfischer mehrere Hundert Kisten, versenkt in ein bis zwanzig Meter Tiefe, mit Stücken von Rossmakrele und Knurrhahn aus. Jeweils zwanzig davon sind an einer Leine befestigt. Das ist der leichte Teil. Schwierig ist, die Kisten auch wieder an Bord der Fischerboote zu holen. Keine Boje markiert die »Hummerleinen«, die Fischer müssen sich auf ihren Orientierungssinn verlassen. Der Fang fällt heutzutage spärlich aus. Viele der europäischen Fischer fangen sechs Mal weniger Krustentiere als noch vor zwanzig Jahren. In besonders warmen Jahren wie 2003 sind es noch weniger. Sind die Tiere erst einmal gefangen, werden sie in einem Becken auf Nulldiät gesetzt. Das hat einen guten Grund: Wer einmal versucht hat, frisch gefangenen Hummer zu grillen oder zu pochieren, wird sich an die Duftnote des Köders erinnern.
Als Lohn der Fischermühe gilt das Urteil der Feinschmecker: Sie finden den blauen europäischen Hummer fester und wohlschmeckender. Und, ja, erst beim Kochen verfärbt sich der blauschwarze Panzer zum vertrauten Rot. »Verglichen mit dem Kanadier verhält er sich wie ein Fasan zu einem Hühnchen«, hat mir mal ein Händler anvertraut. Daneben gibt es natürlich noch den Maine-Lobster aus den USA, der, vor Ort genossen, dem Europäer in nichts nachsteht. Allerdings ist er in unseren Breiten kaum erhältlich.
Der Fasan-Hühnchen-Vergleich geht nicht daneben, tatsächlich handelt es sich um zwei verschiedene Produkte, die unterschiedlich behandelt werden müssen. Der Kanadier verträgt das Grillen nicht so gut wie sein europäischer Artgenosse. Gart man ihn zu stark, wird er kautschukartig. Wird er hingegen in einer Bouillon pochiert, kann auch dieser Hummer fantastisch schmecken. Ein Aufenthalt im Kühlschrank ist keiner Hummerart zuträglich – da geht schnell die Hälfte des Geschmacks verloren.
Alexandre Dumas empfiehlt in seinem »Wörterbuch der Küche« ein Rezept, das ich unbedingt einmal ausprobieren möchte. Dabei wird das Krustentier am Spieß gegrillt, zuerst mit Butter und Champagner und danach mit dem Bratensaft übergossen. Der wiederum wird schließlich gewürzt und mit Pomeranzensaft gemischt. Klingt das nicht lecker?
Köche müssen ihr Tellertier lebend kaufen, auch das meinte schon Dumas: Zangen, Augen, Beine, Antennen sollten sich lebhaft bewegen – nur daran sieht man, dass der Hummer wirklich frisch ist. Stumpfe Augen, Beine und Antennen zeigen, dass der Krustenkriecher auf dem Weg von der Küste zum Fischhändler ordentlich gelitten hat. Experten schwören auf Hummer zwischen 800 Gramm und 1,2 Kilo und verwenden wenn möglich Weibchen.
Das Geschlecht der Tiere kann man durchaus erkennen, ohne Zoologe zu sein: Hummermänner haben einen eher runden Leib und eine ihrer Scheren ist besonders kräftig entwickelt. Weibliche Tiere hingegen verfügen über gleich große Scheren und einen nach unten breit auslaufenden Leib. Während die kleineren Exemplare feiner und zarter schmecken, fallen ihre größeren Artgenossen wilder und kräftiger aus. Doch größer ist nicht immer besser: Riesenhummer sind stets alte Tiere, ihr Fleisch schmeckt oft faserig. Hummer als Weihnachtsessen ist ein weitverbreitetes Missverständnis: Am besten schmeckt er im Juni und Juli. Später wird er nicht nur rarer, sondern kann auch innerhalb seines Krustenpanzers an Gewicht verlieren.
Wer einen solchen lebenden Hummer hat, der wird ihn töten müssen.
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