100 - Leichengeflüster
bis zur Stunde noch
nicht eingetreten war. Aber ihr präparierter und von finsterer Kraft gelenkter
Geist tauchte ein in Raum und Zeit und stieß auf ein Geschehen, an dem zwei
junge Männer, eine alte Frau und - zwei Tote eine Rolle spielten.
Pamela
Royston nannte ihre Geschichte...
Der Mann der eine Tote liebt
In dem
dunkelgrünen Jeep saßen zwei Männer.
Die beiden Freunde
kamen von einer Party und waren auf dem Weg nach Hause.
Hinter dem
Steuer saß Luis Garcia de Valo. Der smarte, gutaussehende Mann pfiff vergnügt
ein Lied vor sich hin. Sein Begleiter, Paco Menderez, fiel stellenweise summend
und singend in die Melodie mit ein.
Die Straße,
die de Valo fuhr, befand sich in schlechtem Zustand. Doch die gute Federung des Jeep glich viele Unebenheiten und Mulden aus. Zu
beiden Seiten der Piste wuchsen Kakteen. Hügeliges Land breitete sich rings um
sie aus.
Menderez und
de Valo kamen aus Lividad, einem winzigen Dorf im äußersten Süden Mexikos, und
wollten nach Guadaqual, einem nicht minder winzigen Dorf in der Nähe eines
Flusses. Dort wollte de Valo bei seinem Freund übernachten und am nächsten Tag
nach Mexiko City Weiterreisen. Sein Urlaub war zu Ende, und de Valo, der als
X-RAY-14 in den Reihen der PSA- Agenten geführt wurde, mußte seinen Dienst in
New York wieder antreten.
Es war schon
nach Mitternacht. Die beiden Heimkehrer waren noch etwa fünfzehn Meilen von
Guadaqual entfernt.
De Valo, der
sich in seinem Heimatland bestens auskannte und an diesem Abend nur zwei oder
drei Drinks zu sich nahm, weil die Wahl, wer dann fuhr, auf ihn gefallen wäre,
war bei vollem Bewußtsein.
Keinerlei
Müdigkeit machte sich bei ihm bemerkbar, und er riskierte deshalb einen Umweg
über eine Piste, die quer durch die Kakteenlandschaft führte und durch ein Dorf
namens Culpa, das nur aus wenigen dicht beisammen stehenden Häusern und einer
Kirche bestand und das auf keiner Landkarte verzeichnet war.
Auf halbem
Weg dorthin tauchten mitten auf der »Straße« im Licht der grellen Scheinwerfer
plötzlich zwei Gestalten auf.
Im hellen
Lichtfeld sahen sie im ersten Moment durchscheinend und verwaschen wie Geister
aus. Aber beim zweiten Hinsehen erkannten die beiden Männer in dem Fahrzeug,
daß die jungen Frauen keine Geister waren. Mädchen aus Fleisch und Blut winkten
ihnen zu und wollten per Anhalter mitgenommen werden.
De Valo
blendete ab und hielt wenige Augenblicke später.
Die Fremden
liefen freudig auf sie zu.
»Wunderbar !« sagte die eine. Sie hatte langes, dunkles Haar, ein
schmales, hübsches Gesicht, das ein Künstler in einer Sternstunde geschaffen
hatte. »Wir hatten schon gar nicht mehr damit gerechnet, noch mitgenommen zu
werden...«
»Uns tun die
Füße fürchterlich weh«, warf die andere ein. Sie hatte blondes,
kurzgeschnittenes Haar und hielt eine Zigarette in der Hand.
»Wo kommt ihr
denn her ?« fragte Menderez verwundert und strahlte
dabei wie ein Honigkuchenpferd.
Die beiden
Freunde erfuhren, daß Juanita - so hießt die Blonde - und Carmen-Olivia, das
war der Name der Dunkelhaarigen, auch am Abend zufällig in Lividad bei einer
Freundin Geburtstag feierten und dann mit ihren Begleitern nach Hause gebracht
werden sollten. Auf dem Weg nach Culpa gab’s jedoch eine schwerwiegende
Auseinandersetzung.
Carmen-Olivia
lachte silberhell, »dann haben uns die Kerle einfach rausgeschmissen und sind davongefahren . .. Aber ihr seid bestimmt so nett und nehmt
uns mit...«
Sie lachte de
Valo an, und der PSA- Agent konnte seinen Blick nicht von ihr wenden.
Er hatte eine
Schwäche für schöne Frauen. Carmen-Olivia gefiel ihm auf den ersten Blick.
»Kommt,
steigt ein! Wir bringen euch bis zur Haustür ...« Die Fröhlichkeit der beiden
Hübschen steckte an.
Die Fahrt
durch die Nacht nach Culpa verging wie im Flug, obwohl Luis Garcia absichtlich
langsam fuhr.
Er wollte
verzögern. Es bereitete ihm Spaß, den Kopf zu wenden und mit Carmen-Olivia zu
plaudern. Menderez hatte sich ganz auf die blonde Juanita konzentriert, und es
entging ihm nicht, daß de Valo offensichtlich Feuer gefangen hatte.
Während der
Fahrt nach Culpa erfuhren Paco und Luis Garcia, daß die beiden Anhalterinnen
Geschwister waren.
Sie lebten im
letzten Haus des Ortes, in dem um diese Zeit alles schlief.
Der Jeep
hielt vor dem kleinen weißen Haus mit den roten Ziegeln. An den schmalen
Fenstern hingen Blumentöpfe.
Carmen-Olivia
schloß die Tür auf, während Menderez Juanita umständlich eine
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