100 Prozent Anders
„Ja“. – „Boah, ey, das glaub ich jetzt nicht.“ Nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu uns. „Echt, Thomas Anders. Was machst du hier?“ – „Wir hatten heute Abend eine Show.“ – „Boah, ey, ist Dieter auch da?“ – „Ja, Dieter ist schon in seiner Suite.“ – „Echt jetzt, boah, Dieter Bohlen ist hier im Hotel?“ – „Jaha, soll ich dich hochbringen?“ – „Mensch, ich find den ja total geil.“ – „Aha, wieso, warum findest du ihn geil“, fragte ich natürlich mit Hintergedanken, da ich die Antwort schon erahnte. „Boah, ey, der ist immer so direkt, so geradeheraus, und redet nicht so geschwollen drum herum.“ – „Mmmh“, antwortete ich, „du findest es also geil, wenn man direkt ist und jedem das sagt, was man denkt.“ – „Hey, ja, das find ich total cool.“ – „Dann pass mal auf, du Arschloch“, fing ich an. „Du platzt hier an unseren Tisch, nimmst dir einen Stuhl, setzt dich, ohne zu fragen, zu uns und laberst mir das Ohr ab. Und jetzt verpiss dich! Und das Geilste an der Nummer ist, dass du es auch noch magst, wenn man so ehrlich zu dir ist.“
Dem Typen fiel das Gesicht aus der Fassung, und er bekam den Mund nicht mehr zu. Nach ein paar Sekunden stand er wie ein begossener Pudel auf und sagte nur noch: „Okay, ich hab’s kapiert.“ Und weg war er!
Claudia reiste nicht mehr mit uns, sie war schwanger. Wir erwarteten im Juni 2002 unser erstes Kind, und für Claudia gab es andere Prioritäten. Sie hatte viele Stunden in TV-Garderoben, hinter Bühnen oder auf Flughäfen verbracht, und sie kümmerte sich schon seit einiger Zeit um meine Büroangelegenheiten. Viele Menschen glauben, dass ein Promi nur sein unbeschwertes Leben genießt und jeden Tag die Sonne scheint. Spät zu Bett gehen und spät aufstehen. Champagner und tolles Essen, Party und ab und an ein wenig singen – und dabei „hammermäßig“ viel Kohle machen.
Die Realität sieht aber anders aus. Die Büroarbeit machen Claudia und ich meistens am Vormittag. Claudia kümmert sich um die Verlagsgeschichten, um Steuerberater, Immobilien, Rechnungen, einfach alles. Sie hält mir komplett den Rücken frei. Ich kann nicht meine Shows geben oder TV-Auftritte absolvieren und am nächsten freien Tag die Buchhaltung führen und dann einen Tag später wieder in St. Petersburg auf der Bühne stehen.
Claudia hatte also ihre Aufgaben, und sie war, wie gesagt, schwanger. Bei unserem Auftritt beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest im März 2002 lernte Dieter Estefania kennen. Dies war auch so eine Besonderheit. Dieter musste seinen Mädels immer außergewöhnliche Namen geben. Estefania hieß eigentlich Stefanie! So stand es zumindest in ihrem Pass: Stefanie Küster. Mit Stefanie kam auch das endgültige Ende von Naddel. Naddel wurde aus Dieters Leben gestrichen, mit „ZERO“.
Sie hatte einen solchen Abgang nicht verdient. Sie war zwölf Jahre mit Dieter zusammen gewesen, hatte all seine Demütigungen und Verletzungen ertragen und stand jetzt vor dem Nichts. Stefanie alias Estefania war nun die neue Prinzessin im Bohlen-Reich. Stefanie wich nicht mehr von Dieters Seite, und Naddel war Geschichte. Claudia sagte einmal: „Ich hoffe, dass Estefania das in Dieter findet, was sie in ihm sieht.“ Welch geiler Spruch. Wir wissen, wie die Geschichte endete.
Zu dem Zeitpunkt wusste Dieter wohl schon von einem neuen TV-Format in Deutschland, in dem er als Juror tätig sein sollte: „Deutschland sucht den Superstar“ bei RTL. Das war so im Frühjahr 2002, und Dieter wurde immer quengeliger und nerviger bei unseren Shows.
Eine Geschichte werde ich nie vergessen. Es war im Juni, und wir hatten in Wolfsburg, in der Autostadt, einen großen Auftritt vor rund 5 000 Menschen. Beim Abendessen setzten sich Dieter und Stefanie zu mir, und Dieter fing an, voller Elan zu erzählen. Dass unsere Shows mehr Entertainment-Einlagen bräuchten, dass sie im Ganzen lebendiger werden müssten. „Super“, sagte ich. „Aber wir müssen uns abstimmen. Du hast dein eigenes Drehbuch, Dieter. Ich weiß nie, was du als Nächstes sagst. Dementsprechend kann ich auch nur eingeschränkt reagieren.“ „Ja, ja“, antwortete er, „das stimmt. Wir sollten uns mal zusammensetzen und einfach ein Grundgerüst für Gespräche auf der Bühne erarbeiten.“ „Gerne, Dieter, kein Problem.“
Dann warteten wir hinter der Bühne auf unseren Auftritt.
Die Musiker spielten schon das Intro, und auf ein „Go“ gingen wir
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