100 Prozent Anders
die so breit war wie mein Kopf. Ich sah jedoch schnell ein: Wer im Musikgeschäft nach oben will, muss modische Opfer bringen.
Der Auftritt war ein Knaller. Das Publikum tobte und wollte mich gar nicht von der Bühne lassen. Herr Hommen strahlte, und meine Eltern waren stolz. Wer wäre das nicht gewesen!?
Nach der Show sprach Herr Hommen mit meinen Eltern über weitere Engagements in seinem Tanzpalast. Es fanden dort, über das Jahr verteilt, sehr viele Firmenfestlichkeiten statt. Herr Hommen suchte für sein Nachmittagsprogramm immer wieder Künstler, die bei ihm auftreten sollten. Vielleicht hätte ich ja Lust, nachmittags aufzutreten, schlug er vor.
Lust? Natürlich! Ich wollte unbedingt und am liebsten sofort!
In der ersten Januarwoche rief mein Vater Herrn Hommen an, um die Dinge mit ihm noch einmal in aller Ruhe zu besprechen. Natürlich kam auch das Thema Gage auf den Tisch. „Was wollen Sie denn für einen Auftritt Ihres Sohnes haben?“, fragte Herr Hommen meinen Vater. „Ich weiß es nicht, was zahlt man denn so?“, kam die Antwort. „Mmmmh, ich setze mal das Honorar bei 300 bis 400 Mark an, ich glaube, das ist angemessen“, schlug Herr Hommen vor. „Gut, dann probieren wir’s!“
Ich wollte natürlich wissen, wie viel von dem Geld mir zustehen würde. Mein Vater erklärte mir, dass mir selbstverständlich das ganze Geld gehöre. Er wollte es aber auf ein Konto einbezahlen und davon dann bei Bedarf eine neue Gesangsanlage und weiteres musikalisches Equipment kaufen. Ich war damit einverstanden, handelte aber von jeder Gage einen Anteil von zehn Prozent für mich aus. Das fand ich nur fair, denn schließlich arbeitete ich ja auch dafür. Mein Vater willigte ein. Er ging von drei bis vier Auftritten im Jahr aus und rechnete sich schnell aus, dass etwa 120 bis 140 Mark als Taschengeld an mich gehen würden. Damit konnte er leben. Doch es kam völlig anders!
In den kommenden Wochen nervte ich meine Mutter mit der ewig gleichen Frage. Kaum war ich aus der Schule zurück, wollte ich wissen: „Hat Herr Hommen schon angerufen?“ Ihre Antwort lautete stets: „Neeeiin.“
Es war Ende März, als eines Nachmittags bei uns zu Hause das Telefon klingelte. „Weidung“, sagte meine Mutter. Ich hörte dann nur, wie sie antwortete: „Ach, Herr Hommen, ja danke, uns geht es gut.“ – „Frau Weidung, ich wollte Ihnen ein paar Termine für Ihren Sohn durchgeben.“ – „Kein Problem, schießen Sie los.“ – „Nein, holen Sie sich besser einen Stift und ein Blatt Papier.“ – „Ach was, die paar Termine kann ich mir schon merken.“ – „Nein, Frau Weidung, es sind ein paar mehr. Genauer gesagt, fünfzehn Termine für die nächsten sechs Wochen.“ Damit hatten weder meine Eltern noch ich gerechnet. Fünfzehn Termine in sechs Wochen! Das hieß, ich durfte endlich zurück auf meine geliebte Bühne – und ich malte mir schon die Höhe meines fürstlichen Taschengeldes aus.
In den kommenden drei Jahren hatte ich im Tanzpalast dann etwa 150 Auftritte. Dort lernte ich auch Kurt Adolf Thelen alias „Der singende Kellermeister“ kennen. Er trat dort regelmäßig auf und sang diese typischen Schunkellieder, „Schütt’ die Sorgen in ein Gläschen Wein“ oder „Oh Mosella“ und solche Sachen. Ende der Siebzigerjahre waren das richtige Stimmungslieder. Der Kurt fand mich so klasse, dass er unbedingt ein Album mit mir aufnehmen wollte. Ich war neun Jahre alt und fand das natürlich wahnsinnig spannend. Ich sang mal wieder eine Auswahl von Heintje-Titeln, aber auch neu komponierte Lieder. Produziert wurde das Album von Hellmuth Rüssmann, dem musikalischen Ziehvater von Schlagerstar Wolfgang Petry. Das Ergebnis war richtig gut. Doch leider lehnten alle Plattenfirmen eine Veröffentlichung ab, weil sie in der Nach-Ära von Heintje erst einmal die Schnauze voll hatten von niedlichen Kinderstars. Das Projekt war damit gestorben, und ich habe nie wieder etwas von meiner ersten Schallplatte gehört.
***
1976 gab es beim Südwestfunk-Radio einen Wettbewerb, bei dem man als nichtprofessioneller Musiker eine Kassette mit selbst gesungenen Titeln einreichen konnte. Jeden Samstag wurde dann ein Wochensieger gekürt, dann der Monatssieger, der Halbjahressieger und der Jahressieger. Ich hatte in allen Kategorien gewonnen, dennoch verlief eine mögliche Karriere im Sande, da ich noch zu jung war. Der zuständige Herr beim Radio teilte mir mit, dass sich meine Stimme erst noch festigen müsse. Ich sei einfach
Weitere Kostenlose Bücher