100 Prozent Anders
hatte er schließlich aber genügend Vertrauen in meine neu erlangten Fahrkünste und überließ mir mit gutem Gewissen sein Auto.
Ich war dann also auf dem Weg nach Koblenz, zum In-Italiener „Guiseppe“ – und zu Stefanie.
Es war schön. Es war neu. Es war aufregend und wunderbar. Ich war verliebt … und sie auch!
Im Gegensatz zu den Mädels, die ich bis dahin kennengelernt hatte, war Stefanie in meinen Augen schon eine richtig erwachsene, eigenständige Frau. Sie lebte in Bonn, hatte eine eigene Wohnung. Ich wohnte noch in Mörz bei meinen Eltern und hatte noch nicht mal das Abitur in der Tasche. Stefanie arbeitete als Laborantin in einem Pharmaunternehmen und verdiente gutes Geld. Wir trafen uns fortan fast jeden Abend bei ihr in Bonn. Da ich ja nur mein Jugendzimmer bei meinen Eltern hatte, genossen wir es, in ihrer Wohnung tun und lassen zu können, was wir wollten. Nach einer Woche passierte es, wir hatten Sex. Für mich war es das erste Mal. Stefanie war in dieser Hinsicht wohl etwas erfahrener als ich. Es war eine unglaublich schöne Erfahrung für mich. Total romantisch und einfühlsam. So, wie ich es mir immer in meinen Träumen ausgemalt hatte. Stefanie und ich verbrachten eine tolle Zeit miteinander. Unsere Beziehung hatte Niveau und war mit diesem typischen Teenie-Geplänkel zwischen Gleichaltrigen nicht zu vergleichen. Fuhr ich zu ihr nach Bonn, erzählte ich meinen Eltern, ich würde zu Guido nach Koblenz fahren und dort übernachten.
Ich weiß bis heute nicht, ob sie meine Lügen durchschauten. Wenn ja, ist es ein Beweis ihrer Elternliebe, dass sie mich nicht mit Fragen löcherten. Hätte ich über diese erste Liebe reden wollen, hätte ich es ihnen sicher erzählt. Doch ich war noch nicht so weit. Meine Eltern müssen das gespürt haben. Sie wollten mir die Gelegenheit geben, mich in Ruhe mit meinen Gefühlen und der völlig neuen Situation auseinanderzusetzen und beides für mich allein zu genießen.
Es war eine kurze, aber erfüllte Liebe. Nach etwa einem halben Jahr trennten sich unsere Wege wieder. Stefanie verließ mich. Ich war traurig, hatte fürchterlichen Liebeskummer. Sie meinte, ich sei ihr zu jung und könne ihr keine Perspektive bieten. Wir trennten uns voller Respekt voneinander, deshalb ist in mir glücklicherweise nichts zerbrochen. Ich konnte weiterhin an die große Liebe glauben.
Der Altersunterschied zwischen Stefanie und mir war am Ende doch zu groß. Meine erste Liebe, mein erstes Mal mit einer Frau, die mitten im Leben stand. Natürlich tat es weh, aber ich fühlte, dass es so kommen musste.
***
Mitte der Neunzigerjahre passierte mir mit Stefanie dann eine total peinliche Geschichte. Ich bereue die Umstände bis heute und habe immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke. Der TV-Moderator Frank Elstner präsentierte damals die Sendung „Meine erste Liebe“. Gemeinsam mit Ingrid Steeger war ich Franks Gast in seiner Sendung. Da Stefanie und ich in der Vergangenheit ab und zu miteinander telefoniert hatten, fragte ich sie, ob sie Lust hätte, bei diesem Format mitzumachen. Stefanie meinte, eigentlich habe sie keine Lust, da sie ja nicht in der Öffentlichkeit stünde, im Gegensatz zu mir. Aber sie wollte mir einen Gefallen tun und sagte zu. Frank Elstner und ein Kamerateam fuhren zu Stefanie nach München und drehten einen kleinen Film mit ihr. Diese MAZ, so wird eine TV-Aufzeichnung genannt, wurde während der Sendung eingespielt. Ich saß live im Studio und bekam von Frank Elstner verschiedene Fragen über meine erste große Liebe gestellt. Beispielsweise erzählte Stefanie, dass ich ihr während unserer Beziehung etwas geschenkt habe, das bis heute auf ihrem Kamin stehe. Dann wurde der Film gestoppt, und Frank Elstner fragte vor laufender Kamera: „Und, Thomas, weißt du noch, was du Stefanie damals geschenkt hast?“
Es war einfach nur schrecklich für mich. Die Kamera zeigte mein Gesicht in Großaufnahme, so dass der Zuschauer zuhause vorm Bildschirm jedes Zucken meiner Augen und meines Mundes erkennen konnte. In meinem Gehirn war totale Leere. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, welches Geschenk das wohl gewesen sein konnte.
Es war eine kleine Porzellankatze.
Frank Elstner hätte mich erschlagen können, ich weiß bis heute nicht, zu welchem Anlass ich Stefanie dieses Tierchen geschenkt haben soll. Das Ratespiel ging dann nach demselben Schema weiter. Ich konnte nicht eine einzige Frage beantworten. Ich hatte den totalen Blackout! Mir tat das
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