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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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würden dich vergessen?“ – „Es geht hier nicht ums Vergessen“, betonte ich, „es geht darum, dass ich nicht zum Bund gehe.“ – „Wie stellst du dir das vor? Soll ich beim Verteidigungsminister anrufen, weil mein Sohn nicht im Schlamm herumrutschen will?“, gab er zur Antwort. „Ich kann vieles für dich tun, ich bin Bürgermeister und habe eine gute Stellung beim Finanzamt, aber wie soll ich dich da rausboxen?“, fragte er weiter. „Indem du bei unserer Verbandsgemeinde anrufst und mich abmeldest, mit der Begründung, ich würde nach Berlin umziehen“, erwiderte ich. Meinem Vater fiel fast das Kinn auf den Tisch, so weit stand sein Mund offen.
    „Was soll ich tun? Dich abmelden?“ Jetzt wurde er lauter. „Ja“, sagte ich, „wenn du es nicht tust, mache ich es.“ Ich kenne meinen Vater, aber er kennt auch mich. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich es durch. In diesem Fall musste ich ihm gegenüber so hart und fordernd reagieren. Es war meine letzte Chance. Wenn überhaupt. Wenn die Verbandsgemeinde die Jahrgangslisten der zukünftigen Wehrpflichtigen nicht bereits an die Landeszentralstelle der Bundeswehr weitergeleitet hatte, war das meine letzte Möglichkeit. Mein Vater rief sofort beim Einwohnermeldeamt unserer Gemeinde an und meldete mich ab. Er gab keine Begründung an und fragte auch nicht, ob die Jahrgangslisten schon verschickt worden waren, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Als dienstbeflissener Beamter wusste er, dass er etwas Falsches tat, aber Blut ist nun mal dicker als Wasser!
    Nach dem Telefonat wollte er wissen: „Und, was machen wir jetzt?“ „Danke, Papa“, sagte ich, „ich fliege jetzt nach Berlin.“
    Berlin war damals „entmilitarisierte Zone“. Auf Grund der Nachkriegssituation war der Ostteil Berlins russisch besetzt, und West-Berlin stand unter der Hoheit von England, Frankreich und den USA. Der Bundesrepublik Deutschland war es nicht erlaubt, die Bundeswehr in diesem Teil der Stadt zu stationieren. Folglich mussten auch alle West-Berliner nicht zum Militär.
    Ich hatte schon einige Monate vorher mit dem Produzenten Daniel David über meine Situation gesprochen. Er hatte eine Wohnung in Berlin und bot mir an, mich im Falle des Falles bei ihm anzumelden. Aus diesem Grund bekam ich von ihm eine Vollmacht, die ich den Behörden vorlegen konnte.
    Ich nahm also noch am selben Tag einen Flug nach Berlin, stand am kommenden Morgen, in aller Herrgottsfrühe, beim Einwohnermeldeamt Berlin-Schöneberg am Schalter und wurde Berliner.
    Es gibt immer wieder Dinge, die eigentlich aus logischer oder juristischer Sicht nicht möglich sein dürften.
    Ich hatte meinen Wohnsitz in Berlin und ging in Koblenz zur Schule. Aber das Schicksal meinte es gut mit mir und war auf meiner Seite. Ich bekam keinen Einberufungsbescheid und musste nicht zur Bundeswehr. Einige Jahre später holte mich diese Geschichte aber wieder ein. Dazu später mehr.

Mein zweiter enger Freund auf dem Gymnasium hieß Steffen. Er kam aus wohlhabendem Haus und war in der Schule ein Überflieger. Er machte sogar Frühabitur, was bedeutete, dass er auf Grund seines erstklassigen Notendurchschnitts ein Jahr vor seinen gleichaltrigen Schulkameraden seinen Abschluss machen durfte und somit ein Jahr früher „in Freiheit“ war. Steffen ließ seine privilegierte Stellung im Leben aber nie raushängen. Er war nicht der klassische Streber mit Nickelbrille. Das Wissen flog ihm irgendwie zu. Auch nach seinem frühzeitigen Ausscheiden kam er immer wieder mal im Eichendorff vorbei, und wir beide hielten engen Kontakt.
    Nach meinem Abi fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm nach Südfrankreich zu reisen. Mit seiner damaligen Freundin lief es gerade nicht so toll, und er wollte einfach mal raus. Ich verdiente zwar durch meine Musik-Jobs viel Geld für einen Abiturienten, aber nicht so viel, dass ich mir einen Luxusurlaub an der Côte d’Azur hätte leisten können. Also beschlossen Steffen und ich, auf einen Campingplatz zu fahren. Ich nehme es vorweg: Ich war in meinem Leben zwei Mal auf einem Campingplatz – das erste und das letzte Mal!
    Natürlich fuhren wir nicht auf irgendeinen Campingplatz, nein, es war ein Luxus-Campingplatz bei St. Tropez. Natürlich hatten wir kein popeliges Zwei-Mann-Zelt, nein, es war ein Familien-Luxuszelt für 5 Personen. Die erste lästige Diskussion mussten Steffen und ich direkt nach unserer Ankunft führen. „Okay, Sie aben eine Familienplatz gebucht,

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