100 Prozent Anders
Bild von ihm und keine Meinung über ihn. Er versuchte sich, neben dem Songwriting, unter dem Pseudonym Steve Benson auch als Solokünstler, und seine erste Single hieß: „Don’t Throw My Love Away“. Es folgten noch zwei weitere Singles, aber keine davon schaffte es in die Charts.
1981 produzierte Dieter Bohlen für den Gitarristen Ricky King den Song „Hale hey Louise“ und landete auf Platz 14 der Top 75.
Es ist schwer für mich, aus einer Distanz von 28 Jahren heraus zu beschreiben, wie ich Dieter anfangs empfunden habe. Er war nett, und wir unterhielten uns hauptsächlich über Musik. Aus Kostengründen übernachtete ich bei Erika und ihm zu Hause und nicht im Hotel, was mir eigentlich auch lieber war. So konnte man sich nach der Aufnahme unserer ersten gemeinsamen Single-Produktion mit dem Titel „Was macht das schon“ noch untereinander austauschen, ohne in einem anonymen Hotelzimmer zu sitzen.
Dieter Bohlen war von meiner Leistung begeistert. Ein Kollege von der Plattenfirma rief mich an und schwärmte mir vor: „Der Dieter findet deine Stimme klasse. Auf einen wie dich hat er all die Jahre gewartet. Er will auf jeden Fall weiter mit dir zusammenarbeiten.“ Meine Stimme und meine schnelle Auffassungsgabe im Studio machten unsere Zusammenarbeit leicht. Auch bei meinen späteren Aufnahmen für Modern Talking brauchte ich für ein ganzes Album nur einen Tag. Ich fing morgens um 10 Uhr mit den Aufnahmen an und flog abends mit der letzten Maschine nach Hause.
Mit meiner neuen Single trat ich in zwei, drei kleineren TV-Sendungen auf, doch der große Durchbruch ließ auf sich warten. Ziemlich schnell nahm ich 1983 die zweite Single mit Dieter als Produzenten auf. Der Song stammte ebenfalls aus seiner Feder und hieß: „Wovon träumst du denn?“ Ich verkaufte fast 25 000 Singles, was in der heutigen Zeit ein Top-5-Hit wäre, aber damals verpasste ich knapp den Einzug in die Charts.
Einen wahnsinnigen „Überfliegererfolg“ hatte zu dieser Zeit Nino de Angelo. Er veröffentlichte im November 1983 „Jenseits von Eden“, wurde damit Nummer eins und stand 23 Wochen lang in den deutschen Charts. Alle waren fasziniert von diesem Song und dem Erfolg. Auch Dieter. Er analysierte den Titel immer wieder und schrieb für mich „Endstation Sehnsucht“. Die Single wurde Anfang 1984 veröffentlicht.
***
Privat hatte sich in der Zwischenzeit für mich viel verändert.
Ich hatte meine Schulzeit hinter mich gebracht und das Abitur in der Tasche. Ich war nicht Klassenbester, aber guter Durchschnitt, denn ich schielte nie nach dem Numerus Clausus. Wie schon gesagt: Ich wollte nicht Arzt, Anwalt oder Sonstiges werden. Ich wollte Musik machen, und dafür brauchte ich keinen Einser-Notendurchschnitt.
Während des letzten Halbjahres auf dem Eichendorff-Gymnasium machte sich jeder von uns Abiturienten Gedanken über seine Zukunft. Welchen Berufsweg sollte man einschlagen, Studium oder Ausbildung? Und was war mit Bundeswehr, Zivildienst oder …? Für mich stand ganz klar fest: Ich konnte meine so hoffnungsvoll sprießende Jungkarriere selbst für das Vaterland nicht aufs Spiel setzen. Eineinhalb Jahre Dienst, und ich hätte wieder von vorne anfangen können. Es musste eine Lösung her, und zwar ziemlich schnell. Mein Vater war natürlich der Meinung: Die Bundeswehr tut dem Jungen ganz gut und bringt ihn auf den Boden der Realität zurück. Doch nicht mit mir.
Es war im März 1982, als ich kurz vor acht Uhr gut gelaunt auf den Schulhof kam. „Und“, fragte Andreas, „hast du auch Post bekommen?“ „Welche Post, ich kriege öfters Briefe“, sagte ich. „Na, den Einberufungsbescheid zur Bundeswehr!“ ZONG! Das Gefühl war so, wie wenn man festen Schrittes voll gegen eine geschlossene Glastür knallt. Oder wenn man genüsslich ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte in den Mund schiebt und auf einen Kirschkern beißt. Beides kommt unerwartet und tut weh.
Ich machte eine Kehrtwende, verließ den Schulhof und machte mich auf in das Büro meines Vaters im Finanzamt. „Fällt heute der Unterricht aus?“, fragte er mich beim Betreten seines Büros. „Nein, ich muss mit dir reden“, entgegnete ich entschlossen. Er legte die Akten zur Seite und schob seine Brille zurecht. Ihm war klar, wenn ich so antwortete, dann stimmte etwas nicht. Mein Gesichtsausdruck drückte aus, dass die Sache keinen Aufschub duldete. „Was ist passiert?“ – „Die Einberufungsbescheide sind raus.“ – „Ja, dachtest du, die
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