100 Prozent Anders
eh“, sagte der Campingwart. „Wann gommen denn die restlischän Mitglidderrr?“, fragte er weiter. Restliche Mitglieder? Im Grunde war unser Fünf-Mann-Zelt für uns beide schon viel zu klein. „Äh, es kommt niemand sonst“, war unsere Antwort. „Oh la la, Messieurs, so gäht das nischt. Sie aben ein zu große Platz für Sie beide, äh, Sie müssen fahren auf Platz pour deux personnes“, regte sich der Campingwart auf.
„Moment bitte“, fiel ich ihm mit harter Stimme ins Wort, „wir aben bezahlt Platz für cinq (5) und kriegen Platz für cinq (5), d’accord (einverstanden)?“
„Money speaks“, und wir standen drei Minuten später unter südfranzösischen Pinien auf unserem Fünf-Mann-Platz.
Den Aufbau des Zeltes beschreibe ich jetzt besser nicht. Aber nach etwa zwei Stunden stand unsere Zeltvilla mit Vorbau. Der Vorbau diente uns als Ankleidezimmer. Dort hatten wir eine Kleiderstange aufgestellt und einen großen Spiegel. Als junger, dynamischer und intelligenter Mann muss man schließlich mit perfekter und vielfältiger Kleidung bei den süßen, knackigen Französinnen Eindruck schinden. Der Hauptraum des Zeltes war für unsere Luftmatratzen reserviert.
Ich vergesse bis heute nicht die Geruchsmischung aus absorbierendem Zeltkunststoff und der Feuchtigkeit des Bodens in Kombination mit den nächtlichen Ausdünstungen des menschlichen Körpers – und wenn dann die aufgehende Sonne über dem Zelt all dieses erwärmte … Boah! Aufwachen, schnell die Zeltwand öffnen und Schnappatmung. Natürlich schien die Sonne so grell, dass ich mich wie ein ausgegrabener Maulwurf fühlte, der zum ersten Mal mit Tageslicht konfrontiert wurde. Schrecklich!
Ich verhalte mich in vielen Dingen sicherlich anders als die übrigen sieben Milliarden Erdenbürger, aber auch ich muss nach dem Aufstehen aufs Klo. Also schnappte ich mir Zahnbürste und Duschgel und marschierte in meinen Designershorts und Flip-Flops Richtung Sanitäranlagen. „Oh, nein!“, schoss es mir beim Betreten des Baus durch den Kopf. Ich fand eine im doppelten Sinne des Wortes „Scheißanlage“ vor. Zwölf miteinander verbundene Toilettenhäuschen mit je einer Holztür. Oben und unten offen, so dass man die Füße des darin Stehenden sehen konnte. Zwölf Kammern, aus denen die eigenwilligsten Geräusche und Gerüche nach draußen drangen. 12 Paar Füße teils barfüßig (igitt) oder in Adiletten, mit Zehen, die während des menschlichen Geschäfts akrobatische Kunststücke vollzogen. Und vor jeder einzelnen Tür eine Warteschlange von mehreren Personen.
Ich musste also mein Bedürfnis unterdrücken, bis ich an der Reihe war, um mich dann auf eine vom Vorgänger noch warme Toilettenbrille zu setzen. „Mon Dieu! Wie ekelhaft!“ Ich hätte mich beinahe übergeben!
Doch das war leider noch nicht alles. Das Gleiche erwartete mich in den Duschkammern, auf der gegenüberliegenden Seite der Toiletten gelegen. Wieder alles besetzt, wieder Warteschlangen, wieder nackte, ungepflegte Füße, nur von hinten.
Ich war an der Reihe und stand mit meinen Zehenschlappen noch im Duschschaum meines Vorgängers, als ich auf einzelnen Duschseifenblasen Reste menschlicher Körperbehaarung erblickte. „Bääääääääääh!“ Ich stürzte aus der Dusche und rannte zurück zu unserem Zelt. Das war einfach zu viel für mich!
„Steffen, wir müssen reden“, rief ich schon von weitem. Steffen fand die Hygiene-Situation auch nicht prickelnd, aber durch diverse Erfahrungen auf Klassenreisen und in anderen öffentlichen Duschanlagen, z. B. beim Schwimmunterricht in der Schule, abgehärtet, hatte bei ihm schon eine gewisse Abstumpfung eingesetzt. „Was sollen wir tun?“, fragte er. Ich war so weit, dass ich auch einen Kredit aufgenommen hätte, um in Cannes im Fünf-Sterne-Hotel „Carlton“ zu übernachten.
Steffen schüttelte nur den Kopf und dachte sich seinen Teil. In seinen Augen war ich wohl das absolute Mimöschen.
Die Tage verbrachten wir am Meer und hatten eine erholsame Zeit. Am frühen Abend fuhren wir dann zu unserem Campingzelt und machten uns schick für den Abend. Irgendwann gab ich es auf, mich über die schmutzigen Duschen und Toiletten aufzuregen, und ergab mich in mein Schicksal. Was hätte ich auch anderes tun können?
Nach ein paar Tagen wollten Steffen und ich mal hinaus in die große, weite Welt. Wir wollten nach Monte Carlo in den total angesagten Sporting Club. Wir zogen unsere „schicken“ weißen Anzüge (bei C&A gekauft) an und
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