100 Prozent Anders
mich voll auf die Musik zu konzentrieren. Die Schule musste abgeschlossen werden, das war klar. Aber jetzt war endlich der Zeitpunkt gekommen, wo ich hätte ausprobieren können, ob mein musikalisches Talent in Kombination mit meiner hundertprozentigen Power ausreichen würde, um als Musiker Karriere zu machen. Doch was machte ich stattdessen? Ich verplemperte meine Zeit an der Uni oder beim Kaffeetrinken. So konnte das nicht weitergehen!
Ich musste die Zeit nutzen, wo ich nur mir selbst gegenüber Verantwortung zu tragen hatte. Ich hatte weder Frau noch Kinder und keine hohen monatlichen Kosten zu tragen. Ich rechnete mir aus, dass ich zwischen 2 500 und 3 500 Mark im Monat verdienen müsste, um anständig davon leben zu können.
Mein Entschluss stand fest.
Meinen Eltern erklärte ich: „Wir machen folgenden Deal.“ (Ich habe mit meinen Eltern immer Deals gemacht.) „Ich bin jetzt 21. Wenn ich es bis 25 nicht geschafft habe, mir durch meine Musik meinen Lebensunterhalt zu verdienen, hänge ich die Musik an den Nagel und werde nie wieder ein Wort darüber verlieren. Aber jetzt will ich es wenigstens versuchen. Tue ich das nicht, werde ich es mein Leben lang bereuen. Die Uni steht auch noch, wenn ich 25 bin.“ Meine Eltern waren einverstanden. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Mein Vater sagte nie wieder auch nur ein Wort zum Thema Studium. Und ein Jahr später stand ich mit Modern Talking auf Platz eins der Charts.
***
Wegen verschiedener Singles, die veröffentlicht wurden, standen auch immer wieder Phasen an, in denen ich für Shows und Werbeauftritte durch ganz Deutschland reisen musste. Ich hatte einen Manager – auf den ich später noch ausführlicher zu sprechen komme –, der mir Jobs besorgte, von denen ich ganz gut leben konnte. Hier 1 200 Mark für eine kleine Gala, dort für einen Promotion-Auftritt 400 Mark oder einen Diskothekenjob 800 Mark. Als Single kam ich mit dem Geld super über die Runden.
Meine Freizeit verbrachte ich meistens in Koblenz, mit Steffen und Guido. Guido hatte nicht so viel Zeit, da er bei der Bundeswehr war. Aber abends sahen wir uns häufig. An den Wochenenden fuhren wir hin und wieder in eine angesagte Diskothek in der Nähe von Koblenz, schauten uns um und testeten unsere Flirtkünste. Wir drei waren eines Abends an verschiedenen Stellen in der Disko verteilt, als plötzlich Steffen mit einer großgewachsenen blonden Frau bei mir auftauchte. Sie war etwa zehn Zentimeter größer als ich und passte somit gar nicht in mein Beuteschema. „Hallo, ich bin Nora“, begrüßte sie mich und gab mir die Hand. „Hi, ich bin Bernd“, gab ich zurück. Wir standen da, versuchten uns bei der Lautstärke oberflächlich zu unterhalten und hielten uns an unseren Drinks fest.
Nach einer Weile machte ich mich auf die Suche nach Guido. Es war schon ziemlich spät, und ich wollte nach Hause fahren. Steffen war mein Vorhaben nicht so recht. Er wollte unbedingt noch bleiben, da er gerade angeblich wahnsinnig „tiefe Gespräche“ mit Nora führte. Doch wir waren zu dritt in einem Auto gekommen, und „mitgegangen“ hieß „mitgefangen“.
Es war der 17. Oktober 1983, und dieser Tag sollte ein Schicksalstag für mich werden. Doch noch ahnte ich nicht, dass ich gerade meine künftige Ehefrau kennengelernt hatte.
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In der kommenden Woche rief Steffen mich an und wollte mit mir essen gehen. Ich traf mich mit ihm in der Stadt, und er sagte: „Komm mal mit, ich muss dir was zeigen.“ „Was denn?“, fragte ich. „Das wirst du schon sehen“, lautete seine unbefriedigende Antwort.
Wir fuhren in einen Koblenzer Stadtteil und hielten vor einem großen Haus mit vielen Wohnungen und Appartements. „Hey Steffen, was soll das? Wir wollten was essen, und jetzt stehen wir mitten in einem Wohngebiet und glotzen ein Haus an.“ Ich war genervt. „Ja, ist ja schon gut, komm mit“, sagte er nur. Er stieg aus dem Wagen und marschierte Richtung Haustür. Nach einmaligem Klingeln summte es. Wir gingen ins Haus und standen vor einem Appartement. Und wer guckte zur Tür heraus? – Nora!
Ich wusste von Nora nichts, außer, dass sie Nora hieß. Jetzt kannte ich auch ihre Adresse, und im Laufe des Abends, den wir zu dritt in einem Restaurant verbrachten, erzählte sie mir aus ihrem Leben.
Nora wurde mit einem „goldenen Löffel im Mund“ geboren. Ihr Vater war gestorben, als sie sechs Jahre alt war. Sie lebte im Haus ihrer Mutter, der in diesem großen Wohnhaus die Penthouse-Wohnung gehörte.
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