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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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Wochenlang musste ich mir ihr Gejammer anhören, bis die Stelle am Kopf endlich wieder zugewachsen war.
    Mehr Gedanken machte ich mir jedoch darüber, wie es überhaupt zu dem Unfall hatte kommen können. Warum war ich mitten am Tag einfach am Steuer eingeschlafen? Auch Nora war in einen Sekundenschlaf gefallen. Ich vermute, dass meine Heckklappe nicht richtig geschlossen war und durch die Verwirbelung der Luft Abgase ins Wageninnere dringen konnten, die uns vergiftet haben. Ich habe mal in der Zeitung gelesen, dass so etwas möglich ist. Das Wichtigste war aber, dass wir den Unfall überlebt hatten. Zwei Wochen lang hatte ich keine Lust mehr aufs Autofahren. Ich musste den Schrecken verdauen. Aber das Leben ging weiter, und ich brauchte schnell ein neues Auto. Mein Vater fragte eines Tages: „Wie sieht es denn mit einem neuen Auto aus?“ Und ich sagte: „Schon bestellt.“ „Was denn für eins?“ „Einen Audi Quattro.“ Mein Vater bekam vor Aufregung fast keine Luft mehr und japste: „Von mir bekommst du kein Geld für so ein teures Auto!“ Darauf ich: „Ich habe dich auch nicht darum gebeten.“
    ***
    Nora und ich hatten eine verrückte Zeit. Abends trafen wir uns mit Guido und anderen Freunden in Koblenz. Tagsüber erledigte ich Bürokram oder ging mit Nora shoppen. Mittlerweile war ich in ihr Appartement eingezogen, und wir verbrachten unsere komplette Zeit zusammen. Einen Beruf auszuüben, wäre Nora niemals in den Sinn gekommen. Kurzzeitig hatte sie mal eine Ausbildung zur Kosmetikerin angefangen. Nach vier Wochen aber hatte sie die Faxen bereits wieder dicke. Sie wollte sich von ihrer Chefin nicht länger erklären lassen, wie man sich richtig schminkt. Dafür stand sie bei uns zuhause stundenlang im Bad vorm Spiegel und probierte an sich selbst das Make-up des Sängers Boy George aus, der in den Achtzigerjahren total angesagt war. Auch an mir fing sie plötzlich an, ihre Schminkkenntnisse zu testen. Puder, Lipgloss und Wimperntusche ließ ich mir noch gefallen. Als sie jedoch mit Lidschatten und Rouge anfangen wollte, protestierte ich: „Jetzt ist Schluss.“ Nora rannte ständig mit einem Dior-Lipgloss hinter mir her und pinselte mir das Zeug auf die Lippen. Kaum hatte sie sich umgedreht, hatte ich alles schon wieder abgeleckt.
    Noras Mutter ging es immer schlechter. Sie pendelte zwischen dem Krankenhaus und dem Haus ihrer Tochter Dolores hin und her. Während „guter Phasen“ ihrer Krankheit war sie allein zuhause in ihrem Penthouse. Irgendwann wurde im Familienrat beschlossen, dass Nora und ich aus Noras Appartement nach oben in das Penthouse ziehen sollten, damit wir uns um Noras Mutter kümmern konnten und sie nicht alleine war. Das Penthouse war groß genug für uns drei. 300 Quadratmeter Wohnfläche. Alles fügte sich.
    Im Sommer 1984 flogen Nora und ich in den Urlaub nach Gran Canaria ins Hotel „Palm Beach“. Das „Palm Beach“ galt und gilt als Traditionshaus und als die absolute „In-Adresse“ am Strand von Maspalomas. Nora war dort seit ihrer Kindheit mit ihrer Mutter Stammgast und hatte hier jedes Jahr mindestens einmal ihren Urlaub verbracht.
    Es war ein tolles Haus, ein toller Urlaub, mit allem, was man sich wünschte. Dazu Sonne satt. Wir verlebten eine rundum perfekte Zeit und beschlossen, uns zu verloben. Unter heutigen Gesichtspunkten würde man sagen, das sei doch viel zu früh. Natürlich ging es schnell, Nora war 20, ich 21 Jahre alt. Aber wir waren bis über beide Ohren ineinander verliebt und hatten das Gefühl, uns gehöre die Welt.
    Und letztendlich lernen wir Menschen ja alle aus den Fehlern, die wir machen – und nicht aus denen, die wir nicht machen.
    Unsere Abreise stand an, und ich wollte gerade an der Rezeption auschecken.
    Unsere Rechnung betrug irgendetwas um die 5 000 Mark, und ich wollte mit einem Euro-Scheck bezahlen, damals noch ein sehr häufig genutztes Zahlungsmittel. „Mein Herr“, sagte mir die Dame an der Rezeption, „Sie können nicht mit einem einzigen Scheck bezahlen. Ein Scheck hat nur eine Deckung von 400 Mark. Ich benötige also 13 Schecks.“ „13 Schecks?“, entfuhr es mir, „ich habe nur sechs Schecks übrig. Damit müssen Sie sich begnügen.“ Es entwickelte sich eine endlose Diskussion mit dem Ergebnis, dass sich das Hotel nicht mit sechs Schecks zufriedengeben würde. Aber was sollte ich tun? Ich konnte ja nun keine weiteren sieben Schecks drucken oder fotokopieren.
    Nora wollte telefonieren. Es gab damals noch keine

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