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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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Mobiltelefone, deshalb ließ sie sich an der Rezeption verbinden. Sie rief ihre Mutter in Deutschland an und erklärte unsere Situation. Nora kam nach kurzer Zeit zurück und sagte: „In zehn Minuten haben wir einen Termin beim Hoteldirektor.“ „Beim Hoteldirektor?“, fragte ich entgeistert. „Ja“, sagte sie, „mach dir keine Gedanken, meine Mutter regelt das.“ Okay, wir machten uns also auf den Weg ins Büro von Herrn Gerlach, dem Hoteldirektor und auch gleichzeitig Hotelbesitzer.
    Nora und ich saßen nun vor ihm, in seinem Büro, an seinem Schreibtisch, und schilderten ihm die Situation. Er erklärte uns, dass seine Angestellten bestimmte Anweisungen hätten und streng danach handeln müssten. In dem Moment klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch, Herr Gerlach nahm den Hörer ab. Es war meine Schwiegermutter in spe. Wir hörten nicht, was sie sagte, wir hörten nur eine laute, bestimmte Stimme am anderen Ende der Leitung. Wie sie uns später erzählte, habe sie ihm nur gesagt, dass sie sein Handeln inakzeptabel fände und ihre Tochter und ihr zukünftiger Schwiegersohn ja wohl offensichtlich nicht zu der Klientel der Pauschaltouristen zählen würden. Sie würde keine weiteren Probleme beim Bezahlen dulden, immerhin sei sie seit Jahrzehnten Stammgast dieses Hauses.
    Herr Gerlach legte auf, lächelte Nora und mich an und sagte: „Selbstverständlich reicht uns ein Scheck von Ihnen!“ Na also, warum nicht gleich so?!
    Wieder zurück in Koblenz, genossen wir unser Leben zu zweit. Nora begleitete mich zu sämtlichen Jobs und erledigte hin und wieder ihre Aufgaben im Familienunternehmen. Ich merkte schnell, welchen besonderen Stellenwert Nora und ihre Familie in der Koblenzer Geschäftswelt hatten und vor allem, dass Nora sich dessen absolut bewusst war. Wenn es irgendwo ein Problem gab, klimperte sie mit den Augen und sagte: „Ich bin Nora Balling“, und das Problem löste sich in Luft auf.
    Wenn wir einkaufen waren und uns nicht entscheiden konnten, welche Hosen, Jacken, Pullover etc. wir haben wollten, nahmen wir einfach alle Sachen mit nach Hause und probierten sie dort in Ruhe an. Die Boutiquenbesitzer nötigten uns diesen Service quasi auf. Für mich war das ein bis dahin unbekannter Luxus: C&A gibt nun mal keine unbezahlte Kleidung nach draußen!
    Nora war nach dem Grundsatz erzogen worden: Ich bin wer und profitiere davon!
    Einmal waren wir in einer Boutique und kamen leger daher. Pulli, Jeans und Turnschuhe. Nora gefiel ein Rock, der um die 1 500 Mark kostete. Sie wollte ihn anprobieren, als die Verkäuferin sagte: „Sie wissen schon, dass der Rock sehr teuer ist?“ Daraufhin Nora: „Natürlich weiß ich das. Und wenn ich mir den Rock nicht leisten könnte, würde ich an Ihrer Stelle hier stehen.“ PENG! Das saß! Die Verkäuferin bekam einen knallroten Kopf und gab fortan keinen Mucks mehr von sich.
    Nora hatte Schuhgröße 41. Da sie ein paar Zentimeter größer war als ich, trug sie damals häufig Ballerinas. Doch Mitte der Achtzigerjahre war es für eine Frau mit so großen Füßen unheimlich schwer, schicke Ballerinas zu finden. In einem Schaufenster entdeckte sie schließlich welche in ihrer Größe. Wir gingen sofort in das Geschäft. Nora fragte die Verkäuferin: „Haben Sie die Ballerinas auch in Schwarz?“ Die Verkäuferin nickte und brachte Nora die gewünschten Schuhe. Sie passten, und Nora war glücklich. „In wie vielen Farben haben Sie die denn da?“, wollte sie von der Verkäuferin wissen. „In 13.“ Nora: „Dann geben Sie mir bitte von jeder Farbe ein Paar mit.“ Die Verkäuferin stammelte nur: „Aber Sie können doch nicht dreizehn Paar Schuhe kaufen!“ Darauf Nora, wie aus der Pistole geschossen: „Da haben Sie eigentlich recht. Geben sie mir die Schwarzen gleich doppelt.“
    Noras Mutter ging es im Herbst 1984 immer schlechter. Sie verbrachte mehr Zeit im Krankenhaus als in ihrem Penthouse. Wir feierten mit unseren Familien unsere Verlobung. Noras Mutter sammelte all ihre Kräfte, um an der Feier teilnehmen zu können. Es war ihre Idee. Sie wollte alle Menschen, die ihr wichtig waren, noch einmal um sich sehen. Noras Mutter starb dann Anfang November 1984. Nora war unfassbar traurig.
    Was sollte ich als 21jähriger Mann jetzt tun? Ich hatte eine 20jährige Freundin, nein, Verlobte, die ihre Mutter verloren hatte und somit Vollwaise war. Nora fühlte sich unglaublich einsam. Da waren zwar die beiden älteren Schwestern, die ein eigenständiges Leben mit

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