100 Prozent Anders
Business sieht hier wie Freizeitbeschäftigung aus. Eine andere Welt, 10 000 Kilometer von Deutschland entfernt.
Wir wohnten in Los Angeles im „Pink Palace“, im „Beverly Hills Hotel“ am Sunset Boulevard.
Ich genoss diese Welt. Niemand kannte mich. Ich musste keine Angst haben, am Kiosk wieder Schlagzeilen über Modern Talking zu lesen, die mich nur verletzen würden. Oder mir blöde Kommentare an der Tankstelle anhören. Ich ging aus dem Hotel, setzte mich zu meinem Chauffeur ins Auto und war einer von vielen anderen wohlhabenden Besuchern.
Wir verbrachten bereits zwei Tage in Los Angeles, als am späten Abend das Telefon auf unserem Zimmer klingelte. Es war meine Sekretärin Astrid aus Deutschland. Der Zeitunterschied zwischen Kalifornien und Koblenz betrug neun Stunden. In Los Angeles war es gegen 23 Uhr abends, in Deutschland 8 Uhr am Morgen.
„Yes. Hello?“, meldete ich mich am Telefon. „Oh, guten Morgen, Astrid, wie geht’s?“ „Mir im Grunde gut, aber ich habe hier die Bild-Zeitung vor mir liegen.“ „Und“, fragte ich erwartungsvoll. „Hier steht auf der Titelseite: ‚Dieter Bohlen macht Schluss mit Modern Talking‘“, gab sie zurück. Ich schwieg.
Was für ein armseliges Vorgehen. Dieter hatte demnach einfach nicht die Größe, mit mir persönlich über eine Trennung zu sprechen. Der Feigling hatte wohl nicht zufällig abgewartet, bis ich mich mit neun Stunden Zeitdifferenz in Los Angeles aufhielt und somit nicht direkt auf die Schlagzeile in der Bild reagieren konnte. Hatten wir nicht vereinbart, dass Modern Talking stillschweigend eine Pause machte? Von einer Trennung wollten wir doch bewusst absehen. Warum setzte sich Dieter prinzipiell über alle Vereinbarungen hinweg?
Nach dem Telefonat mit Astrid griff ich zum Hörer und rief Dieter an. „Jaaa“, meldete sich mit norddeutschem Slang eine Stimme. „Hallo, Dieter, hier ist Thomas“, sagte ich. „Was soll denn die Meldung von heute?“
„Ach, weißt du“, antwortete er, „ich wollte der Bild-Zeitung einfach nur mal sagen, dass ich keinen Bock mehr auf dich hab und was du für ein Arschloch bist.“ Daraufhin entgegnete ich ihm nur: „Weißt du, Dieter, wenn wir hier und jetzt so offen miteinander sprechen, möchte ich dir auch mal etwas sagen: In meinen Augen bist du das größte Arschloch, das ich je kennengelernt habe.“ Ich legte den Hörer auf. PENG! Das war’s! Kein Modern Talking mehr! Kein Bohlen! Keine Plattenfirma, keine Termine! Kein Gezicke von einer eifersüchtigen Ehefrau!
Am nächsten Tag rief ich bei der Plattenfirma an, und wir besprachen die weitere Vorgehensweise.
Ich wollte Dieter nicht mehr sehen und ihm während unseres nächsten Videodrehs nicht begegnen müssen. Und erst recht wollte ich nicht noch einmal so tun müssen, als seien wir beste Freunde, der Plattenfirma zuliebe. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von Dieter Bohlen.
Die letzte Single von Modern Talking I war „In 100 Years“, und wir drehten das Video in München in den Bavaria-Studios. Getrennt voneinander! Die Plattenfirma hatte es tatsächlich geschafft, den Dreh so zu planen, dass Bohlen und ich uns nicht über den Weg liefen. Jeder von uns hatte seine Drehtage und Einstellungen, die einzelnen Sequenzen wurden später im Studio zusammengeschnitten. Ich kann nur sagen, der Wunderwelt der Technik sei Dank!
Ich habe Dieter Bohlen danach nicht wieder gesprochen und gesehen, bis 1993.
Modern Talking war für’s Erste Geschichte. Unser Album „In the Garden of Venus“ schaffte es nur bis auf Platz 35 in den Charts. Die Menschen hatten genug von uns, von unserem Streit, von unserem Gezeter und den nervigen Geschichten in der Presse. Nicht nur die Fans: Ich auch! Endlich kein Bohlen mehr, der permanent raushängen ließ, wie geil und erfolgreich er war, und der nur auf seinen eigenen Vorteil schielte.
Ich fühlte mich frei. Endlich!!!
Nora und ich genossen das Leben und flogen durch die Welt. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich nichts, absolut gar nichts gearbeitet. Ich lebte wirklich einfach nur so in den Tag hinein. Ich war ausgebrannt und fühlte mich in den ersten Wochen wie gelähmt. Ich besaß nicht einmal mehr die Kraft, um mir auch nur ansatzweise vorzustellen, jemals wieder auf einer Bühne zu stehen. Heute würde man sagen, ich litt an einem Burn-out-Syndrom. Mein Körper signalisierte mir, dass ich Ruhe brauchte und neue Kraft tanken musste.
Im Frühjahr 1988 hielten wir uns in Hamburg auf. Im Hotel bekam
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